Schachblindheit kommt selbst im Garten vor

Ein augenzwinkernder Tatsachenbericht von Konrad Reiß

Am letzten Wochenende hatte ich Besuch. Eigentlich nicht ich, sondern meine Tochter Konstanze. Die feierte ihren 18. Geburtstag. Da blieb es natürlich nicht aus, dass auch so der eine oder andere starke Schachspieler über das Gelände marschierte. "Starke Schachspieler" ist eigentlich noch untertrieben, denn es waren schon einige Kapazitäten da. Leute, die so gut sind, dass sie wie z. B. der Fußballstar Pelé oder der Blue Eyes-Sänger Frank Sinatra, auf eigene Künstlernamen verweisen können. Selbst Spezialisten mit diversen digitalen Fotoapparaten, die immer und sofort auf eine schachjournalistische Tätigkeit schließen lassen, waren da. Sie fotografierten Katzen, Hunde und den Sonnenuntergang. Den Sonnenaufgang sicherlich auch.
Doch alle gingen achtlos an den gerade aufblühenden Schachbrettblumen im Garten vorbei. Selbst der sonst auf alles achtende Geschäftsführer des Traditionsvereins "SG 1871 Löberitz" nahm die Tatsache nicht zur Kenntnis.
Die Schachbrettblumen blühen bei mir, seitdem ich den Garten habe. Also immerhin schon 20 Jahre! Gerade im vergangenen Herbst habe ich wieder eine größere Pflanzaktion gestartet um der immer kleiner werdenden Anzahl dieser, für einen Schachspieler schönsten, Blume mit aller Energie entgegenzuwirken. Was tut man nicht alles für das Schach! Und nun die Unwissenheit der ansonsten meist gelehrigen Schachspieler. Das muss sich ändern!
Deshalb möchte ich auszugsweise aus meiner "MZ-Schachkolumne" Nr. 117 vom 21.01.1994 zitieren:

Blüten auf dem Brett

Schachbrettblume wurde zur Blume des Jahres 1993 gekürt

Ein mögliches Tatbestandsmerkmal einer unerlaubten Handlung gemäß Paragraph 823 unseres Bürgerlichen Gesetzbuches und den damit verbundenen Anspruch auf Schadensersatz kann unter Umständen, wenn gesetzlich vorgeschrieben, ein Unterlassen sein.
Dieses Unterlassen hätte man mir als Schachkolumnist vorwerfen können, wenn ich nicht noch diese und somit auch letzte Gelegenheit des Jahres nutzen würde, um darauf hinzuweisen, dass im nun abgelaufenen Jahr 1993 die Schachbrettblume in Deutschland die Blume des Jahres war.
Die zu den Liliengewächsen zählende Kiebitz- oder Schachbrettblume (Fritillaria megalearis) wird 30 bis 45 Zentimeter hoch und kommt mit purpurnen oder weißen nach unten hängenden glockigen Blühen vor. Mitte Mai treibt die Zwiebel ihre Blüten und dürfte eigentlich in keinem Garten eines Schachspielers fehlen. Für alle die, die wenig Zeit für ihren Garten aufbringen können, sei noch gesagt: Die Schachbrettblume eignet sich bestens zum Auswildern, ist somit auch in Parks oder Waldflächen anzutreffen.

Eine Blume anderer Art, mehr wohl eine schwer zu knackende Nuss, ist die schwarz-weiße Schachtulpe. Der Vierzüger stammt von Leon Löventon und errang bei einem Problemwettbewerb sogar schon einen 1. Preis. Dies war für das "blumige" Problem Anlass genug, um in das FIDE-Album 1914/1944 aufgenommen zu werden.

Weiß setzt in vier Zügen matt

Für all diejenigen, die auch nach längerem Knobeln nicht ihr Ziel erreicht haben, die Lösung: 1.Th2 Sd1, 2.Ta2 Se3, 3.Tab2 und nun ist egal, von welcher Seite der schwarze Springer seinen König verteidigt, einer der Türme beschließt im nächsten Zug die Partie.

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