LEM 2009 Sangerhausen

Sieger-Interview

Für das Interview trafen wir uns zu Bier und Nudeln auf der Terasse von Haus "Sonnenschein" in Stolberg/Harz :)

Glückwunsch zum souveränen Titelgewinn mit 6/7! Es war (mal wieder) eine der LEM, in der der spätere Sieger den späteren Zweitplatzierten in Runde 1 bezwang. War das der entscheidende Rückenwind für die folgenden Runden?

Die Partie gegen Florian war natürlich von großer Bedeutung für mich. Ich hatte die angestrebte Stellung auf das Brett bekommen, und im Mittelspiel einen Bauern für eine gute Stellung geopfert. Dann habe ich aber seine Angriffsmöglichkeiten unterschätzt und fand mich in einer verlorenen Stellung wieder. Zum Glück hatte er nicht mehr genug Zeit, sodass ich ihn in beiderseitiger Zeitnot noch austricksen und gewinnen konnte.

Schildere doch bitte den weiteren Verlauf aus deiner Sicht.

Falti & JayJay Danach ging es Schlag auf Schlag weiter. Nach der sehr anstrengenden ersten Runde musste ich gleich gegen den Favoriten Brain antreten. Er spielte die Eröffnung nicht sehr ambitioniert, sodass sich bald eine recht ausgeglichene Stellung ergab. Nach langem Hin und Her erreichten wir in beiderseitiger Zeitnot ein kompliziertes Turmendspiel, in dem dann mein starker Freibauer entscheidend war. Danach war ich natürlich sehr motiviert und dachte das erste Mal ernsthaft an den Titel, da ich in zwei Schlüsselpartien den vollen Punkt eingestrichen hatte.
Nach meinem recht ungefährdetem Sieg gegen Volodymyr hatte ich bereits einen Punkt Vorsprung, musste aber gegen den großen Favoriten Micha ran. Ich möchte ihn nicht als Angstgegner bezeichnen, aber bisher sah ich nicht so gut gegen ihn aus. Es entstand eine Stellung der Berliner Mauer, in der wir uns beide nicht auskannten. Trotz des frühen Damentausches sind diese Stellungen extrem kompliziert und ein falscher Plan kann sehr unangenehme Folgen haben. Am Brett fand ich dann die Züge Sde2 und Sf4, auf die ich sehr stolz bin. Im Folgenden war Schwarz zu völliger Passivität verurteilt, aber in Zeitnot fand ich keinen Gewinnweg und es wurde remis.
Spannend wurde es dann wieder, als ich gegen Florian Brüggemann meine schlechteste Leistung zeigte und nur mit Glück einen halben Punkt bekam. Micha war wieder auf einen halben Punkt an mich heran gekommen und hatte mit Florian Brüggemann den Letzten des Feldes als Gegner. Bei den beiden entstand eine sehr komplizierte Najdorfstellung, wo ich mir recht sicher war, dass Micha sich besser zurecht finden würde. Florian spielte aber sehr sicher und fuhr den ganzen Punkt ein, womit mir ein halber Punkt zum Titel reichte. Nach meinem Sieg gegen Dustin war der Titel dann nach langem Zittern endlich in trockenen Tüchern.

Hattest du im Vorfeld mit dem Titel geliebäugelt?

Ich war eigentlich ohne große Erwartungen an das Turnier heran gegangen. Ich bin zwar zur Zeit in guter Form, aber bei so einem ausgeglichenem Feld kann man so einen guten Verlauf kaum erwarten. Letztendlich gehört auch immer eine Portion Glück dazu, wie man in meinen Partien gegen die beiden Florians gesehen hat. Wenn mir jemand vor dem Turnier gesagt hätte, dass ich sechs Punkte hole, hätte ich ihn für verrückt erklärt.

Durch die Auslosung im Vorfeld kann man sich auf die Gegner vorbereiten. Ging das bei dir eher auf oder wurdest du häufiger überrascht?

Ich hatte kaum Zeit für Vorbereitung, da ich direkt nach der Meisterschaft eine BWL-Prüfung hatte (die übrigens sehr gut lief, zur Zeit ist mir Fortuna wohl hold). Ich habe nur kurz geschaut, was meine Gegner spielen, um keine bösen Überraschungen zu erleben. Konkret hat es mir nicht geholfen, aber es gibt einem schon mehr Sicherheit, wenn man nicht unvorbereitet in Lettisch läuft.

Bei der LEM gab es nur 25% Remispartien und auffällig wenig Endspielentscheidungen nach der ersten Zeitkontrolle. Wie schätzt du das Turnier insgesamt ein? Welche Partien sind dir besonders aufgefallen?

Die Meisterschaft war sehr ausgeglichen besetzt. Und die sehr hohe Jugendquote hat dem Kampfgeist auch sehr gut getan. Viele Partien wurden im Mittelspiel entschieden und jede Runde war hochspannend. Am spannendsten waren Michas Partien gegen die Florians. In der einen Partie stand auf einmal der Läufer auf h3 und in der anderen flogen die weißen Bauern nur so vom Brett. Michas Schach macht einfach Spaß, wenn er erst mal richtig loslegt (und nicht mit 1.c4 eröffnet ;-).
Außerdem möchte ich den Ausrichtern vom SV Sangerhausen für diese tolle Meisterschaft danken. Beachtlich war auch die sehr aktuelle Onlineberichterstattung. Ich habe direkt nach dem Ende schon die ersten Glückwünsche per Mail bekommen, was zeigt, dass dieses Angebot auch gern angenommen wird.

Deine Einschätzung zum LEM-Modus einschließlich Qualifiaktion?

Die BEM und die LEM machen natürlich ungeheuer Spaß. Es ist nur bedauerlich, dass so viele gute Spieler fernbleiben. Ich kann es nachvollziehen, wenn berufstätige Familienväter (und -mütter) sich nicht so viel Zeit nehmen können. Unsere Überlegung war, die LEM für Spieler über einer gewissen DWZ (z.B. >2000) als Open auszurichten, aber trotzdem die sehr beliebten und erfolgreichen BEMs mit zwei Qualifikationsplätzen weiterzuführen. Dann würde man kein Rundenturnier mehr spielen können, aber das Feld wäre sicher deutlich stärker besetzt und man könnte die starken Spieler sicher mehr einbinden. Wichtig ist aber auch, dass man auf einen guten Austragungsort achtet.

Zur DEM 2010 wissen wir noch nicht viel – es steht noch kein Ausrichter fest. Was fällt dir momentan zum Stichwort "Deutsche Einzelmeisterschaft" ein? War die Blitz-MMM im Schöneberger Rathaus ein Vorgeschmack?

Auf die DEM freue ich mich natürlich. Ich hoffe, dass der Termin nicht allzu stark mit meinen Prüfungen kollidiert. Die Blitzmeisterschaften waren natürlich toll. Persönlichkeiten wie Loek van Wely und David Navara live zu erleben ist beeindruckend und macht Lust auf mehr.

Kommende Woche bist du wieder als Trainer/Betreuer für die Sachsen-Anhalt-Delegation bei der DJEM in Willingen dabei. Deine Erwartungen? Unsere aussichtsreichsten Starter?

Das kann ich im Moment nicht einschätzen, da das Trainingslager zur DJEM während der Landesmeisterschaft war und ich unsere Kader da nicht erlebt habe. Ich bin mir aber sicher, dass Tatjanas sehr gute Arbeit als Kadertrainerin bald Früchte tragen wird und jemand von uns auf dem Treppchen stehen wird, von dem es vorher keiner erwartet hat. Ich möchte hier nochmal auf meinen Blog zur DJEM hinweisen, wo ich direkt aus Willingen berichten werde.

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