Schach spielen in Österreich, faszinierend wie eh und je

Neue handelnde Personen:

- Zigurds GM Zigurds Lanka 1.Brett: ehemaliger Trainer von Dana und in ganz Europa zu Hause
- David IM David Gross 2. Brett: Bundesligaspieler, schon etwas länger als ich in Österreich aktiv
- Gerhard FM Bernhard Tabernig: 4. Brett, wurde vor 3 Jahren als Ersatz für Helmut geholt, der damals zum "Erzfeind" nach Jenbach wechselte

Faszination Österreich, 3.Teil

Vorgeplänkel

Nach ziemlich genau 2 Jahren hat es mich Anfang Oktober mal wieder nach Österreich verschlagen. Mein letztes Spiel hatte ich in der Staatsliga B vor 2 Jahren ebenfalls am Eröffnungswochenende absolviert. Wir sind dann am Ende der Saison nach einigen vergeblichen Anläufen in die Staatsliga A aufgestiegen. Da es beruflich bedingt nicht mehr so einfach ist und ich auch nur Ersatzmann bin (bin schließlich der schwächste " Ausländer"), kam ich in der gesamten letzten Saison nicht zum Einsatz.
Wie kam es nun zu meiner Reaktivierung? Ca. 1,5 Wochen vor Saisonbeginn bekam ich unverhofft einen Anruf von Werner. Gut gelaunt wie immer sagte er, es wäre doch mal wieder Zeit für ein Gastspiel. Also erkundigte ich mich mal nach Zugverbindungen.
Unglücklicherweise war die Besetzung im Büro eh schon minimal und der verbliebene Kollege hatte auch noch Geburtstag. Den Spätdienst am Freitag konnte ich also auf niemanden abwälzen. Freitagabend kommt man nun nicht mehr so richtig nach Österreich und schon gar nicht bis ins Zillertal. Samstagmorgen um 5.00 Uhr losfahren, schien mir auch nicht sonderlich erbaulich. Also rief ich Werner an und sagte ab.
Ich hätte es wissen müssen, so leicht ließ sich Werner nicht abschütteln. Mit einem selbstverständlichen: " Ich hol dich ab egal von wo!" und " Es wäre schon schön, wenn du mal wieder spielst" überredete er mich zu einem 2. Blick in den Fahrplan. Also ließ ich mich letztendlich überzeugen und wir verabredeten uns so gegen 0.45 Uhr in Kufstein.

Freitag

Die Anreise verlief wie meistens mit der Bahn etwas holprig, aber mit ein wenig Glück und einigen Zwischenspurts beim Umsteigen erreichte ich den Bahnhof Kufstein kurz vor 1.00 Uhr. Werner hat telefonisch schon seine Verspätung gemeldet, da er noch auf einer Beachvolleyball-Sitzung in Salzburg war (seine beiden Zwillingstöchter gehören zu den besten Nachwuchsteams in Österreich). Punkt 1.00 Uhr schlossen sich unangekündigt alle elektronischen Türen im Bahnhof, so dass sämtliche Ausgänge verschlossen waren. Zum Glück schaute ein Bahnhofsangestellter noch mal vorbei, so dass ich im Freien weiter warten konnte.
Kurze Zeit später tauchte dann auch schon Werner auf. Auf der ca. 1,5-stündigen Fahrt erzählte mir Werner Anekdoten aus den letzten 2 Jahren. Außerdem erfuhr ich, dass Sponsorengelder für Beachvolleyball deutlich leichter zu besorgen sind als für Schach. Werner versucht momentan beides zu kombinieren, um ein paar Gelder fürs Schach abzuzweigen.
Werner's Zielsetzung fürs Wochenende änderte sich so ziemlich jede halbe Stunde. Am Anfang waren 2 knappe Siege eingeplant, gegen Ende der Fahrt waren wir schon bei mindestens zwei " 4-2 Siegen" . Gut, dass die Fahrt nicht noch länger dauerte.
Gegen 2.30 Uhr erreichten wir dann das " Hotel Neuhaus" in Mayrhofen. Kaum auf dem Zimmer angekommen, war ich auch schon eingeschlafen.

Samstag

Pünktlich 11.00 Uhr klopfte es und David stand vor der Tür. Wie ich erfuhr, hatte es ihn beruflich mittlerweile nach Prag verschlagen. Werner hat natürlich bereits mögliche Synergieeffekte durch eine Fahrgemeinschaft mit Ivan erkannt, allerdings blieben sie bisher ungenutzt. Außerdem was wäre Ivan ohne sein Auto?
Gespielt wurde in Absam (unweit von Innsbruck). David und Werner sollten eigentlich fahren, allerdings hatte David dem Hotelpersonal geglaubt, welches ihm einen Parkplatz zuwies, der am nächsten Tag nicht vom stattfindenden Markt beeinträchtigt werden sollte. Als wir gegen Mittag nach dem Rechten schauten, war das Auto völlig zugebaut. Also hieß es zusammenrücken und alle in Werner's Auto. Nachdem wir Josef in Zell und Zigurds am Bahnhof in Jenbach eingesackt hatten, kamen wir ca. eine Stunde vor Spielbeginn im Spiellokal an. Dort warteten schon Bernhard und Johannes auf uns, somit waren wir komplett und die Spiele konnten beginnen. Der Auftaktgegner hieß Wüstenrot Salzburg und wir waren wohl leichter Favorit. Als ich so nach 1,5 Stunden über die Bretter schaute, sah alles ziemlich gut aus. Zigurds hatte schnell remisiert, David knetete eine positionell bessere Stellung, Bernhard hatte in der Eröffnung einen Bauer gewonnen, Johannes spielte einen sogenannten " Gartenzaun" , wobei der Gegner schon eine Stunde mehr gegrübelt hatte, Josef hatte mit seinem beliebten Königsgambit auch einen Bauern in der Eröffnung abgestaubt und auch ich war mit meiner Stellung zufrieden.
1,5 Stunden später hatten Bernhard und Josef ihre Mehrbauern wieder eingestellt und standen beide etwas bedenklich. Johannes und ich standen auf Gewinn wohingegen bei David trotz einiger Züge sich an der Stellung praktisch nichts verändert hatte.
Noch einmal 1,5 Stunden später hatten Johannes (der sich für seinen unspektakulären Sieg entschuldigte) und ich gewonnen. Josef hatte sich mit seinem Gegner friedlich geeinigt. Nachdem dann auch noch Bernhard sein schlechtes Endspiel zusammenhielt und schließlich David nach stundenlangem Lavieren seine Partie gewann, hatten wir einen überzeugenden Auftaktsieg erzielt. Mit ein wenig Glück hätte es durchaus noch höher ausgehen können, was in Österreich aufgrund der Brettpunkteregel (es zählen erst die Brettpunkte und dann die Mannschaftspunkte) nicht ganz unwichtig gewesen wäre.
Die Abendgestaltung beschränkte sich dann auf ein gutes Essen im Hotel. Im Anschluss erfuhr ich dann, dass Johannes' Frau ein " Medium" ist. Die Gesprächsthemen des Abends waren dann übernatürliche Fähigkeiten sowie Horoskope. Werner's Frau und seiner Töchter, die sich nach dem Essen zu uns gesellten, waren total fasziniert und wollten so manche ihnen zugesprochene Gabe gar nicht haben. Nach und nach trennten sich dann die Wege - schließlich stand am nächsten Tag das wichtige Spiel gegen den Aufstiegsaspiranten Absam an.

Sonntag

Im riesigen Frühstücksraum traf ich dann am nächsten Morgen David. Obwohl wir so ziemlich die einzigen Gäste waren, war es nicht wirklich einfach einen freien Platz zu bekommen. Mit der von uns getroffenen Platzwahl war das Personal nicht wirklich zufrieden. Man wollte uns erst einen anderen freien Tisch zuweisen, ließ uns dann aber doch sitzen. Als sich Bernhard zu uns gesellen wollte, fing der Spaß von vorne an. Obwohl an unserem Tisch noch 2 Plätze frei waren, durfte sich Bernhard dort nicht platzieren. Die Gründe werden wohl immer ein Geheimnis bleiben. Anstelle dessen wurde von einem andern Tisch ein Stuhl geholt und an die noch nicht besetzte Seite des Tisches gestellt. Nun drängten sich 3 Leute an einer Tischhälfte eines sonst leeren Frühstücksraumes. Dann kam Zigurds. Die Bedienung sah mit Schrecken, dass er unserem Tisch entgegen strebte. Für einen weiteren Stuhl war nun wirklich kein Platz mehr. Mit sanfter Überredungskunst wies sie Zigurds einen anderen Tisch zu.
Da am Sonntag kein Markt mehr war, konnten David und ich uns auch ungehindert auf den Weg nach Absam machen. Mit einer " kleinen Ehrenrunde" (irgendwie hatten wir die richtige Autobahnabfahrt verpasst und befanden uns schon fast in Innsbruck) erreichten wir mit 10-minütiger Verspätung das Spiellokal.
Bei Absam warteten mit Luther, Teske und Wegerle nicht wirklich einfache Gegner an den ersten 3 Brettern. Traditionell hat Sonntag nicht der Partieausgang sondern die Partiedauer die höchste Priorität (besonders bei den " Legionären" ). An den anderen Tischen (das ist das Schöne in Österreich, es spielen immer alle zusammen) lichteten sich auch schon nach wenigen Minuten die Reihen. Bei uns hingegen passierte Wunderliches. Die 6 Österreicher an den letzten 3 Brettern einigten sich alle mehr oder weniger schnell auf remis und die Legionäre an den vorderen 3 Brettern schwitzten.
Nach 3 Stunden bot Werner (er ist halt immer für eine Überraschung gut) ein 3-3 an. Zigurds stand gegen Luther etwas besser. Bei David gegen Teske war alles unklar, wobei ich kein so gutes Gefühl hatte. In meiner Stellung hatte sich der Vorteil auch etwas verflüchtigt, allerdings war ich immer noch recht zufrieden. Da Thomas keine Zeit hatte, versuchte Werner mehrmals mit Henrik Kontakt aufzunehmen. Der war allerdings gerade am Zug und grübelte über der kritischen Stellung, so dass Werner nur eine eindeutige Handbewegung erntete. Letztendlich entschied mein Gegner, dass wir uns noch weiter quälen mussten. Die relativ zeitige Rückkehr nach Köln war damit gestorben.
Leider stellte sich kurze Zeit später raus, dass die Ablehnung durchaus berechtigt war. Zigurds schaffte es nicht seine Vorteile zu verwerten und es entstand ein ausgeglichenes Turmendspiel, welches nicht lange geübt wurde. David verlor in den Verwicklungen erst Material und dann auch die Partie. Also lag es nun an mir das Unentschieden sicher zu stellen.
Nach der ersten Zeitkontrolle war ein Doppel-Springerendspiel mit jeweils 6 Bauern entstanden, allerdings verfügte ich über die deutlich aktiveren Pferde sowie eine Bauernmajorität am Damenflügel. Der schwarze Freibauer auf der d-Linie neigte hingegen eher zur Schwäche. Alles in allem war ich zuversichtlich mit etwas Lavieren den Sieg einzufahren. Mir gelang es dann auch einen Freibauern am Damenflügel zu bilden sowie weitere Schwächen am Königsflügel zu provozieren. Die Zeit meines Gegners wurde auch immer knapper und in bereits klar verlorener Stellung überschritt er dann auch die Zeit. 3 Stunden später war das 3-3 somit doch perfekt. Die Rückfahrt verlief relativ problemlos. David nahm Zigurds und mich bis München mit und glücklicherweise erwischte ich auch gleich einen Zug, so dass ich pünktlich Mitternacht in Köln einfuhr.
Am Ende war ich froh, dass ich mich zum Besuch in Österreich überreden ließ, auch wenn es stressiger als früher war, kompensiert der Spaß es allemal. Die nächsten 3 Runden finden vom 2.-4.12.2005 in Mayrhofen statt. Ich werde höchstwahrscheinlich nicht spielen, allerdings muss man bei Werner immer mit einem kurzfristigen Anruf rechnen.

Holly

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