Aseev-Memorial St. Petersburg 2004

Peter Svidler ohne Chance

Nudel, Svidler Es gibt Tage, da weiß man morgens nicht, was einem der Abend bringt. Wie zum Beispiel der vermaledeite Kinobesuch im "Dom Kino", der mir drei Tage Krankenhaus brachte. Aus diesem flüchtete ich dann zwecks Schachturniers am letzten Novembermontag. Das Turnier war kaum erwähnenswert, aber ich erspähte die Ausschreibung für das Konstantin-Aseev-Gedenkturnier. Es war einem Petersburger Großmeister gewidmet, der im jungen Alter von 44 Jahren an einer Blutkrankheit verstarb. Das Turnier fand am nächsten Sonntag statt und es waren Liebhaber und Großmeister des königlichen Spiels eingeladen.

Daher machte ich mich auf den Weg, zusammen mit, nein, nicht mit Francois, dem vielbeschäftigen Schweizerschachfreund, sondern mit einem Chinesen, nennen wir ihn einfach Chen. Chen fand mit 18 Jahren den Weg zum Schachspiel und zieht es der chinesischen Variante vor. Ja, mein lieber China-Klaus, so rum läuft der Hase, Xiang-Qi ist out. Chen spielte danach meist im Internet oder freie Partien, aber mit Schachuhr - noch nie. In den Kämpfen mit mir konnte er mich noch nicht bezwingen, aber meist ließ er gute Chancen aus, souverän war ich selten.

Aseev-Preis Gemeinsam tauchten wir auf der Petersburger Schachbühne auf, im Schachklub namens Tschigorin. Bei der Anmeldung sah ich hohe ELO-Zahlen und danach erblickte ich einen hohen Menschen, der mir irgendwoher bekannt vorkam. Ich traf auch zwei Gesichter vom Montagsturnier wieder, die mir erklärten, heute sind viele starke Spieler hier, sogar Peter Svidler sei anwesend. Bingo, genau dazu passte der Mensch. Er ist nicht nur ein schachlicher Riese, sondern auch in Wirklichkeit ein Hüne, ein Recke. Anand und Kramnik sind auch nicht die kleinsten, muss man mindestens 1,90 sein, um supergut Schachspielen zu können?? Wenn ich mir es recht überlege, die haben auch das nötige Fassungsvermögen, um das Schachwissen zu verstauen. Da fällt mir in Sachsen-Anhalt spontan nur der Dicke ein. Und dem Resultat nach zu urteilen, ist er auf einem guten Weg.

Chen, Nudel Dem Chinesen erklärte ich, wen wir vor uns haben. Erst verstand er nicht, danach (nach dem AHA-Effekt) erklärte er mir seinerseits, dass Svidler einer der wenigen ist, vor denen Kasparov Angst hätte. Überhaupt wusste er zu jedem Schachweltmeister, die an der Wand aufgereiht hingen, eine Episode zu erzählen. Da er aber einen starken Akzent spricht, kann ich leider nicht wortwörtlich wiedergeben, worüber er sprach. Bei den Weltmeistern kommt nach Kasparov, als letzter übrigens Khalifman, und bei beiden steht das Jahr des Titelgewinns, aber nicht das Ende hinter, im Gegensatz zu den übrigen Weltmeistern. Interessant, interessant. Ein Wermutstropfen war, dass ich an diesem Tag meine Kamera zu Hause gelassen hatte. Man weiß wirklich nicht, was der Abend bringt. Man sollte sie immer dabei haben. Doch, oh Glück, ein Schachfreund hatte die eigene dabei und ihn bat ich, Bilder von Chen, Svidler und mir zu machen. Und er hatte auch den glänzenden Einfall.

Der Moment der Wahrheit ist nahe. Ich weiß, worauf ihr wartet, aber ich muss Euch enttäuschen. Die Wahrheit ist bitter und nicht immer so fantastisch, wie es geschrieben steht. Peter Svidler blieb ohne Chance. Ohne Chance, mich zu besiegen. Dafür war meine ELO zu hoch. Ich war in der oberen Hälfte gesetzt und kam nicht in der ersten Runde gegen ihn. Mein neuer Schachfreund erkannte aber die gelungene Möglichkeit, ein Foto von ihm (Svidler) und mir vor der ersten Runde zu schießen. Peter saß schon am Brett, sein Gegner noch nicht, der Stuhl war frei, der Fotograf zerrte mich zum ersten Brett, sagte dem Super-GM zwei Worte, er nickte freundlich, ich setzte mich, lächelte in die Kamera, es blitzte, ich sagte "Spacibo!", wieder Kopfnicken. Stand auf, ging weg. Ein letzter Blick zurück. Fertig. Die Welt hatte ihr Svidler - Windel - Foto.

GM Solozhenkin Chen und ich spielten dann ein einseitiges Turnier, ich gewann mit Weiß gegen die schlechteren und verlor mit Schwarz gegen die besseren. Einem IM und einem GM unterlag ich. Der IM hat eine Schrift "wie ein Hühnerfuß", was die russische Entsprechung für "Sauklaue" ist, der GM Solos(c)henkin war im Gegensatz zu Peter S. schon zweimal Stadtmeister, einmal von Leningrad, einmal von Sankt Petersburg. Mein Chinafreund fragte mich nach jeder Runde, ob es nun vorbei sei, auch bekam er nach der zweiten Runde Hunger, rechnete er doch nicht mit so einem langen Turnier. Zum seinem Glück war er dann spielfrei, wodurch er essen gehen konnte. Zu seinem Pech gewann er auch hinterher keine Partie. Die Trauben hängen hoch in Russland. Auch für Peter, der nicht gewann. Die Wertung entschied für Alekseev, ein junger, dynamischer Schachfreund. Auch daran konnte Svidler nichts ausrichten. Aber ich hab nichts dagegen! Denn wer kann das schon von sich behaupten: "Ich war bei einem Turnier dabei, dass Peter Svidler nicht gewonnen hat!"? Ich kann es sagen ohne rot zu werden, und wer weiß, nächstes Mal spiele ich vielleicht auch gegen ihn?!

Nudel

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