Apoldaer Open 2004

... g5 aus allen Lagen

(Fotos made by Franzi Beltz. Bildunterschriften als Tooltipp.)

Turniersaal Es hatte endlich geklappt! Am Donnerstagnachmittag entstieg ich dem ICE in Naumburg, um von Brain, Normi, Effi und Franzi B. abgeholt zu werden - das Projekt Apolda-Open konnte beginnen! Schon desöfteren wurde von mir angedacht, mit den (Schach-)Freunden aus Sachsen-Anhalt gemeinsam ein Open zu spielen, doch kamen immer wieder Terminprobleme dazwischen. Doch diesmal war ich tatsächlich gekommen, was der eine oder andere nicht mehr für möglich gehalten hatte. Die Aussicht war aber auch zu verlockend: bei Reyk unterkommen (über dessen Qualitäten als Gastgeber ich zwar schon viel gehört hatte; doch kein Bericht kam der großartigen Realität auch nur annähernd nahe!), viele alte Bekannte wiedertreffen ... da musste ich einfach erscheinen! Nur kurz zu Beginn bereute ich mein Kommen, als man mir sehr undiplomatisch mitteilte, dass ich über dieses Turnier den Bericht für die Homepage verfassen müsste. Nach kurzem Abwägen der Möglichkeit einer sofortigen Rückreise entschied ich mich zum Bleiben und auf ging's zum Turniersaal, der mich sofort begeisterte. Von Brain wurde ich gleich instruiert, was zu tun sei: er zeigte mir die vorderen Bretter und meinte, jeder von uns müsse mal in der 1. Reihe spielen - dies gelang nicht ganz, doch der Reihe nach.
Willi Runde 1 verlief unspektakulär - wir kamen alle zu leichten Pflichtsiegen. Erwähnenswert eigentlich nur Normis Opfer auf h3, was dazu führte, dass ich mich köstlich darüber amüsierte, wie man denn in dieser Stellung h3 spielen könne, der Einschlag sei doch vorhersehbar! Am Abend dann die erste Kostprobe aus Reyk's Vorratskammer: mein großer Hunger konnte wie der der anderen problemlos gestillt werden. Nicht gestillt wurde dagegen unsere Neugier auf die Zweitrundengegner. Obwohl wir die halbe Nacht die Homepage des Opens aktualisierten, erfuhren wir erst am nächsten Morgen von unserem Glück. So durfte ich an Brett 1 gegen den späteren Sieger GM Haba ran. Die Geschichte der Partie ist schnell erzählt: ich spielte h3, er knallte irgendwann rein, gewann mit Mehrbauern und geißelte h3 als schweren Fehler in ausgeglichener Stellung! Was ich mir von Normi anhören durfte, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Selbiger spielte gegen einen meiner bayerischen Schützlinge, der genau einen Zug lang auf Verlust stand. Da sich Normi jedoch im Endspiel befand, endete die Partie remis. Effi kam zu einem leichten Sieg, während Brain das Drama der Runde lieferte. Als Schwarzer stand er etwas beengt und hatte wenig Zeit, lehnte jedoch ein Remisangebot in Verkennung dieser Umstände ab, um dann in Zeitnot einen Turm einzustellen. Nelly Furtado und ich auf der einzigen schönen Parkbank des Stadtzentrums mühten uns redlich, ihn wieder ins Turnier zu bringen.
Normi beißt aufs Bolle-System Am Nachmittag lernte ich dann Bolle kennen, einen alten Bekannten für die Löberitzer Jungs. Normi machte vor allem Bekanntschaft mit dem Bolle-System, welches noch öder ist als das Colle-System: Weiß stellt seine Läufer nach g2 und b2, tut nichts, stellt nach 20 Zügen fest, dass keiner Fortschritte machen kann und macht remis. Die Gedanken des Schwarzspielers zum Bolle-System möchte ich hier lieber nicht wiedergeben! Normi also remis. Brain wollte nach dem Desaster eine ordentliche Partie spielen, was nach Augenzeugenberichten misslang. Im Sizilianer ließ er ein Qualiopfer auf c3 zu (welch seltenes Motiv), wonach sein Zentrum auseinander- und die schwarzen Figuren einflogen. Wie durch ein Wunder entkam er jedoch ins Endspiel, wo er dann seinen Materialvorteil zur Geltung brachte. Effi landete erneut einen leichten Sieg, während ich mich mit Schwarz durch meine schlechteste Partie quälte. Nach mißglückter Eröffnung versuchte ich unrochiert, mit g5 das französische Zentrum des Gegners aufzureißen - doch eigentlich riß ich damit nur die weiße Dame für meinen König auf, die ihm fortan nicht mehr von der Seite wich. Pünktlich zur beidseitigen Zeitnot tauchte die Rettung in Form von Holly auf, der extra aus Dublin eingeflogen wurde. Ich entkam in ein schlechteres Endspiel, das ich um 180° drehen konnte - ein höchst glücklicher Sieg. Am Abend und in der Nacht wuchs dann die Schach-WG noch um Scoobie an, was eine 8-Mann-Wizard-Runde zur Folge hatte. Die Betten resp. Schlafsäcke wurden erst um halb vier besucht.
Gerald Sommer Davon war am nächsten Morgen zumindest bei den Löberitzern nichts zu merken. Normis Gegner opferte etwas unmotiviert seinen halben Figurensatz und als er feststellte, dass das eine Schach, das er dafür geben konnte, kein Matt war, gab er nach kurzem Materialzählen auf. Brain spielte, wie wir ihn kennen und lieben: er hatte in einem leicht besseren Endspiel die viel besseren Ideen und fuhr trocken den Punkt ein. Bei mir gab's ein ebenfalls trockenes schnelles Weiß-Remis, da sich bei mir der fehlende Schlaf deutlich bemerkbar machte und ich keine einzige vernünftige Idee entwickeln konnte. Bleibt Effi, der mit Schwarz gegen Gunter Spieß antreten musste. Lange Zeit schien die Stellung im Gleichgewicht, doch in beidseitiger Zeitnot wies Spieß nach, dass dem wohl nicht so war. Ihm gelang es, Effis wichtigste Figur zu tauschen, worauf die schwarze Stellung schnell zusammenfiel.
Jannis in Reihe 1 gegen Co-Sieger Heiko Machelett In der 5.Runde traf Brain wieder auf einen alten Bekannten: Joachim Brüggemann hieß der Gegner an Brett 8 (die erste Reihe!) - leider wieder mit Schwarz. Schnell fand sich Brain in einer etwas zu passiven Caro-Kann-Stellung wieder. Weiß verbesserte seine Figurenaufstellung und dann war es leider vorbei. Normi schaffte es nur an Brett 9 (zweite Reihe) gegen IM Donchev. Wie schon am Vormittag steckte sein Gegner Material ins Geschäft, diesmal allerdings etwas fundierter. Normis König wanderte auf der Grundreihe entlang, ohne ein sicheres Plätzchen zu finden - auf den ersten Blick eine starke Vorstellung seines Gegners. Effi musste sich in der Slawisch-Variante, in der Schwarz einen Läufer für 3 Bauern opfert, abmühen und schaffte es leider nicht, seine Vorteile zum Gewinn zu verdichten. Ich durfte gegen die WM-Dritte der Gehörlosen spielen, der ich am Morgen noch applaudiert hatte, da sie vom thüringischen Schachverband für diesen tollen Erfolg vor Ort geehrt wurde. In der Eröffnung musste ich etwas improvisieren, um sie am Ausmalen ihrer Angriffsschablone zu hindern. Dies gelang und am Ende konnte ich mit g5 ihre schwarzen Felder empfindlich schwächen und entscheidend Material gewinnen.
Scoobi Dies führte zum Duell von mir gegen Effi - kurzzeitig dachte ich tatsächlich daran, deswegen mal früher ins Bett zu gehen; doch Suren Petrosian und Kathrin Schmuck (wirklich unglaublich, wer alles bei Reyk auflief) vereitelten diesen Plan geschickt und ausdauernd. Die Partie am nächsten Morgen verlief merkwürdig. Nach der Eröffnung stehe ich pleite, dann verliert Effi den Faden und kann den Übergang in ein Endspiel, in dem höchstens noch ich Gewinnchancen habe, nicht verhindern. Ich jedoch will in seiner Zeitnot komplizierter spielen und übersehe einen taktischen Trick, den der Bursche trotz hängendem Plättchen natürlich sieht: 0-1 ! Brain wird als Weißer mit Caro-Kann konfrontiert und zeigt, warum er diese Eröffnung als Schwarzer so gerne spielt; er holt nichts aus der Eröffnung, versucht aber gewaltsam auf Gewinn zu spielen, was zu einem schlechten Endspiel führt. Dieses kürzt er durch ein geschickt getimetes Remisangebot ab. Normi hatte nach dem Vortag wohl die Schnauze voll und beschloss, mal wieder selber zu opfern. Zwei Figuren mussten dran glauben, die sich Panzer jedoch mit Zins und Zinseszins zurückholt - ein echter Normi-Sieg!
Traditionell: Brain macht Salat In der Schlussrunde beschert ihm dies Schwarz gegen Aljoscha Feuerstack, den Titelverteidiger. Normi versuchte sich am Igel, spielte (zu) früh d5 und verwaltete danach eine Ruine. Dies aber sehr zäh und geschickt, sodass er nach überstandenem Vierzigsten tatsächlich Remischancen hatte. Unsere Befürchtungen, dass er diese verspielen würde, da es sich um ein Endspiel handelte, zerstreute Panzer sausouverän - ein starker letzter Tag von Normi! Brain hatte es mit einem Gegner zu tun, der auf den Gedankenaustausch am Brett großen Wert legte. Er dagegen wählte die Sprache des Königsangriffs, die der Gegner irgendwie nicht verstand - auch für ihn ein schöner Abschlusssieg. Da konnte ich natürlich nicht nachstehen und fuhr als Schwarzer einen netten Mattangriff; entscheidender Zug zum Aufreißen des gegnerischen Königsschutzes war Allabendliches Happening übrigens g5! IM Heiko Machelett versuchte daraufhin, mich zum Schreiben des Werkes "Mein Zug - g5 in allen Lebenslagen" zu überreden. Gerade als ich meinte, dieses Vorhaben abgewürgt zu haben, bot sich GM Karsten Müller an, das Vorwort zu schreiben - und als dann auch noch Brain einige Ideen für einen Untertitel beisteuerte, kam ich ins Grübeln, das bis jetzt anhält! Sollte ich wirklich...? Blieb Effi, der ums Geld über den Jugendpreis spielte. Die mit Norm geübte Sämisch-Variante kam aufs Brett und irgendwie gelang es Effi leider nicht, entscheidenden Vorteil herauszuholen, auch wenn wir das als Kiebitze alle anders sahen. Leider nur remis, aber einen Preis gewann er zum Glück trotzdem. Meine Null hatte sich gelohnt.

Nichts im Haus: Riker Somit lief Effi mit 5, Normi, Brain, Bolle und ich mit 4,5 und Franzi Flegel mit 2,5 Punkten ein. Bei ihr muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich von ihren Partien so gut wie nichts mitbekommen habe und daher auch nicht über sie berichten konnte. Ich gelobe im nächsten Jahr Besserung! Und dies ist auch gleichzeitig das Fazit: es waren vier tolle Tage, die ich in sehr guter Erinnerung behalten werde. Ich hoffe, es wird ein "nächstes Jahr" geben - danke vor allem an Reyk für seine unglaubliche Bewirtung!

Willi

FranziF Jannis StefanT Snoopy

SPRÜCHE

"Silber ist egal - Bronze ist wichtig!"
Effi beim Olympia-Schauen; Russland sollte die USA bei den Bronzemedaillen überholen - es gelang

"Ich mache mir Sorgen für die deutsche Mannschaft"
Olympiareporter des ZDF mit offensichtlichem Abschluss in Germanistik

"Das Wichtigste ist, dass ich spiele"
Lukas Podolski in knapp 4 Zehntelsekunden - oft kopiert, nie erreicht

"Reyk hat nichts zuhause"
Normi zu mir, der am 1. Abend unglaublichen Hunger hatte - ich Idiot hab es ihm abgekauft

"Das ist eine eher defensive Runde"
Holly zu unseren Partien in Runde 5

"Die Russen lernen aber auch Variantenrechnen!"
Heiko Machelett zu meiner Erklärung, ich wolle nicht, dass sich Effi in Zeitnot auf sein russisches Schachverständnis verlassen können sollte

"Nein!"
Reyk auf jedwede Frage, ob man ihm helfen könne

"Geh doch mal auf Aktualisieren!"
Ich am ersten Abend ca. alle 2 Minuten, da ich meinen Gegner wissen wollte

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