Schnellschachweltmeisterschaft in Cap dŽAgde

Kerstin, Frank Vom 23. bis 30.10.2003 fand im Süden Frankreichs, in Cap dŽAgde, zum 6. Mal die Schnellschachweltmeisterschaft der FIDE statt.
Da der Berichterstatter in dem nur ca. 80km entfernten Montpellier für ein knappes Jahr verweilt, war es für ihn und zwei weitere Schachbegeisterte, Kerstin Gräbe und Frank Gerstmann, eine sehr günstige Gelegenheit die fast vollständige Weltelite zum Anfassen nahe erleben zu können. Kerstin sollte in Erfurter Kreisen noch dem ein oder anderen bekannt sein, da sie für Empor Erfurt vor einigen Jahren noch Punkte gesammelt, später für Leipzig Gohlis gespielt hat und mittlerweile aufgrund ihres Studiums in Heidelberg angemeldet ist. Frank kommt aus Frankfurt und war auch sehr angetan von diesem Staraufgebot.
Blick in den Turniersaal Wir machten uns also am Samstag, den 25.10. auf den Weg, pausierten in Sète, einem sehr gemütlichen, zum Teil auf einem Hügel gelegenen Örtchen und mussten bei Ankunft in Cap dŽAgde mehr als eine halbe Stunde suchen, um zu diesem Großereignis zu finden. "Großereignis" sollte man denken, die Ausschilderung ließ allerdings zu wünschen übrig. Als wir dann unser Ziel erreichten, wurde jedem ein Besucherausweis verabreicht, der immer sichtbar getragen werden musste. Die Anlage selbst machte einen sehr angenehmen Eindruck. Sie bestand aus vielen Bungalows und ein paar größeren Gebäuden, in denen gespielt wurde. Dazwischen gab es viel Grün und man konnte in aller Ruhe promenieren und relaxen. Es wurde in 2 Gruppen mit je 8 Spielern gekämpft. Von diesen 16 Spielern waren die 12 besten der Welt mit Ausnahme von Kasparov, der einmal mehr mit seiner Abwesenheit glänzte, anwesend. Wir verfolgten insgesamt drei Runden, in denen es meist recht gediegen zuging. Eine Ausnahme bildete die Partie zwischen Gelfand und Azmaiparashvili. In beiderseitiger hochkarätiger Zeitnot wollen erst Azmaiparashvili und direkt anschließend Gelfand einen Bauern in eine Dame umwandeln, wobei beide noch ihre ursprünglichen Damen auf dem Brett hatten. Das Kramnik vs. Topalov bedeutete, es mussten eine neue weiße und eine neue schwarze Dame her. Das gestaltete sich allerdings etwas kompliziert. Man muss dazu sagen, dass die vier Bretter dieser Gruppe in Kreisform angeordnet waren. Der Hauptschiedsrichter saß gemütlich im Mittelpunkt und zufälligerweise sogar mit Blick auf die entsprechende Partie, das heißt, er hätte sich schon eher um die Damen kümmern müssen. Als plötzlich die beiden Spieler verwirrt um sich schauten, Geräusche ihres Unmutes zu vernehmen waren und ihre Arme umherschwirrten, vermutete der "Schiedsrichter", dass etwas nicht stimmte, und er benötigte fast eine Minute, um zu erkennen, dass zwei neue Damen benötigt wurden. Anstatt schleunigst zwei davon zu holen deutete er einem Hilfsschiedsrichter, der außerhalb des Geschehens stand, an, zwei Damen zu besorgen, die er dann aus einem Hinterzimmer langsamen Schrittes brachte. Der Hauptschiedsrichter kam nicht auf die Idee aufzustehen, zwei Schritte zu gehen und von dem Brett einer schon beendeten Partie, die zwei Damen zu nehmen.
Grischuk vs. Svidler Ansonsten lief alles reibungslos. Innerhalb der ersten drei Minuten jeder Runden durfte man Fotos schießen, und diese Gelegenheit hab' ich mir dann auch nicht nehmen lassen und bin kurzzeitig zum Paparazzo mutiert. Die meisten Spieler konnten allerdings auch nach den ersten drei Minuten die Kameras spüren, die nur höchstens 50cm von ihnen entfernt waren, so dass wir Zuschauer auf einer Großleinwand bis ins Detail sehen konnten, wie der eine aufgeregt mit dem Fuß wackelte oder der andere mit einer Figur in der Hand spielte. Zum Spielverlauf selbst kann ich nicht so viel berichten, da ich nur einen kleinen Teil davon miterlebt habe. In einer Partie verlor Anand mit Weiß gegen Polgar sehr schnell und chancenlos. Als ich das sah, hätte ich nicht damit gerechnet, dass er das Turnier gewinnt, obwohl er als der wahrscheinlich stärkste Schnellschachspieler der Welt gehandelt wird, was er unterm Strich ja auch deutlich gezeigt hat. Besonders großen Applaus bekam Etienne Bacrot, wenn er gepunktet hat, und das kam gar nicht so selten vor. Wir haben einen schönen die trei Helden nebst Banner Schwarzsieg mit Russisch über Adams und eine starke Verteidigungsleistung gegen Topalov, die zum Remis führte, bestaunen dürfen. Vor jeder Runde wurde jeder Spieler kurz vorgestellt, wobei die Koryphäe Karpov als 12. Weltmeister immer etwas hervorgehoben wurde. Allerdings diente er eher als Punktelieferant für die anderen, was die Stärke des Feldes nur einmal mehr unter Beweis stellt. Rundum war es eine gelungene und ansehnliche Pilgerfahrt ins Mekka des Schachs mit vielen Eindrücken und exzellentem Schach.

Heiko Z.

Soweit Heikos Bericht. Ich füge noch ein Diagramm aus Ponomariov gegen Anand nach Vishys 27...c6 bei:

Ponomariov - Anand

Ja weiß Vishy denn nicht, dass es für einen echten Boldi-Läufer nicht ausreicht, einen Bauern blockieren zu lassen? Die Partie endete folgerichtig 0-1.

Demobretter und Leinwand mit Shirov vs. Leko
Pono Karpov

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