handelnde Personen:

- Ivan Ivan Hausner, 1. Brett: wenn er dabei ist, gibt es immer interessante Verwicklungen
- Ich Holger Pröhl, 2. Brett: kein Ästhet, wie ich erfahren musste
- Helmut/Helli Helmut Kleissl, 3. Brett: immer gut gelaunter FM, dieses Mal etwas vorsichtig
- Johannes Johannes Kröll, 4. Brett: ein Ästhet und immer mit hochinteressanten Partien
- Josef/Jo Josef Schiestl, 5. Brett: spielt nebenher Fußball und gewann zum ersten Mal eine Partie während meiner Anwesenheit
- Christof Christof Kondrak 6. Brett: Neuzugang und gute Verstärkung
- Werner Werner Csrnko: Mannschaftsleiter und Motivator: ohne ihn würde es wahrscheinlich nur halb so lustig sein

Faszination Österreich

Am letzten Wochenende war es mal wieder soweit. Ich fuhr zu meinem ersten Punktspieleinsatz in Österreich diese Saison. Mittlerweile ist es meine 4. Saison, davon eine in der Staatsliga A und nun die 3. in Folge in der Staatsliga B. Das erste Wochenende (3 Runden) war bereits gespielt und meine Mannschaft Zell/Zillertal belegte einen vorderen Mittelfeldplatz. Der Aufstieg ist dieses Jahr nicht unbedingt unser Ziel, da mit Schwarzach eine eigentlich zu starke Mannschaft vorhanden ist.

Donnerstag

Meine Anreise erfolgte wie immer einen Tag vorher, um möglichen Problemen, z. B. bei der Deutschen Bahn, aus dem Wege zu gehen. Leider verfahren nicht alle Spieler unserer Mannschaft nach diesem Prinzip. Gegen 22.00 Uhr hatte ich meinen Zielbahnhof Mayrhofen erreicht. Werner brachte mich dann zur Pension seiner Schwiegereltern, die sehr idyllisch auf einem Berg liegt. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag ca. 15.30 Uhr, um dann zum Spielort Jenbach (Eingangsort zum Zillertal und etwa eine halbe Stunde entfernt) zu fahren.

Freitag

Der Vormittag verlief sehr geruhsam. Nach ausgiebigem Schlaf und gutem Frühstück fiel die obligatorische Wanderung leider wegen schlechtem Wetters aus. Ein Sturm hatte vor kurzem gewütet und einige Straßen und Wege waren noch nicht wieder passierbar, außerdem regnete es in Strömen. Pünktlich um halb vier war Werner da, aber man sah ihm schon an, dass es wieder Probleme gibt. Er hatte um halb drei einen Anruf von Ivan erhalten. Dieser hatte einen Autounfall in Deutschland etwa 60 km vor Salzburg, aber er sollte mittlerweile unterwegs in Richtung Jenbach sein. Laut Werner sollte es kein Problem sein bis 17.00 Uhr (Anfangszeit der Freitagsrunde) in Jenbach zu sein. Am Vortag hatten Werner und ich noch gewitzelt, ob Ivan den diesmal pünktlich käme. Vor zwei Jahren bei Ivans letztem Einsatz hatte er Freitag die erste Runde verpasst. Damals spielte er gegen Johannes, der noch für einen anderen Verein tätig war. Werner leistete volle Überzeugungsarbeit und handelte ein Remis heraus, obwohl Ivan bis 18.00 Uhr nicht aufgetaucht war. Er hatte sich damals mehrfach verfahren, eine Geschichte, die sich wiederholen sollte. Wir holten Johannes, Helmut und Joseph ab und fuhren nach Jenbach. Es wurde kurz beraten, ob wir aufrücken sollten, aber da wir hofften, Ivan würde es rechtzeitig schaffen und der Gegner ausgerechnet Tabellenführer Schwarzach war, entschieden wir uns, um auch die eigene Vorbereitung nicht zu zerstören, auf Ivan zu bauen. Als wir im Spiellokal ankamen, war ein altes Ritual zu beobachten. Johannes hatte seine eigenen Figuren mitgebracht, die er dann gegen die vorhandenen austauschte. Das Geheimnis dieses Rituals sollte ich am Samstag erfahren. Außerdem musste ich feststellen, dass sich die Bedenkzeit ein wenig geändert hatte. Es wurde mit sogenannter Fischerbedenkzeit gespielt (1.40 +30 sek pro Zug für 40 Züge, anschließend 50 min + 30 sek für den Rest). Folgen dieser Bedenkzeit sind ständige Mitschreibpflicht sowie keine Möglichkeit mehr auf Zeitspiel zu reklamieren.
Dann war es 17.00 Uhr und die Runde wurde angepfiffen. Wie ich schon fast erwartet hatte: von Ivan keine Spur. Werner konnte nur sagen, dass er unterwegs ist. Aber zur Überraschung aller wurde seine Uhr nicht in Gang gesetzt. Werner, wie auch immer er es wieder angestellt hatte, hatte erwirkt, dass die Zeit erst ab 17.45 Uhr lief. Am Ende half auch das nichts, Ivan tauchte erst so gegen 19.30 Uhr auf und wir hatten somit Brett 1 kampflos verloren. Aber trotzdem verlief der Kampf recht spannend. Schwarzach war nicht in Bestbesetzung angetreten ("nur 1 GM und 2 IM"). Helmut und Josef hatten in guten Stellungen, die man beide problemlos und ohne Risiko hätte weiter spielen können, remis gemacht. Somit stand es 1:2. Ich hatte ein Turmendspiel erreicht, welches gute Gewinnchancen bot. Christof hatte nach einem Opfer Turm und 3 Bauern für 2 Figuren bekommen und stand somit auch ganz gut. Johannes hatte nach einigen Tempoverlusten in der Eröffnung ebenfalls ein Turmendspiel, allerdings mit Minusbauer, aber durchaus noch Remischancen. Die Turmendspiele liefen gut für uns. Ich konnte meins gewinnen und Johannes hielt seins tatsächlich remis. Nur Christof bereitete jetzt Sorgen. Er hatte eine einfache taktische Wendung übersehen und kämpfte nun im Endspiel mit seinem Turm gegen das übermächtige Läuferpaar. Am Ende verlor er Bauer für Bauer und schließlich auch die Partie. Der Kampf ging also 2,5:3,5 verloren. Trotz des kampflosen Punktes war aber ein Sieg im Bereich des möglichen. Es war schon relativ spät, so dass unser Abendessen bei McDonalds stattfand. Dort erzählte Ivan dann noch einmal seine Leidensgeschichte. Er bringt in Tschechien jeden Monat eine Schachzeitung heraus und ist dabei quasi ein Ein-Mann-Team. Am Montag war Redaktionsschluß und er musste somit vor dem Wochenende noch alles erledigen. Dabei ist dann wohl der Schlaf etwas zu kurz gekommen. Er ist dann auf einer Bundesstraße in der Nähe von Passau eingeschlafen und hat zwei entgegenkommende Autos gestreift. Zum Glück gab es nur Blech- und keinen Personenschaden. Außerdem konnte er sogar mit seinem Auto weiter fahren. Da es aber ziemlich dunkel war und es außerdem die ganze Zeit regnete, ist er dann zweimal in die falsche Richtung gefahren und kam somit erst zu spät in Jenbach an. Insgesamt muss man aber sicher froh sein, dass alles noch so glimpflich ausgegangen ist.

Samstag

Am Samstag begann die Runde um 14.00 Uhr. Dieses Mal tauschte Johannes nur einzelne Figuren auf seinem Brett aus. Als ich ihn daraufhin ansprach, sagte er, dass es einfacher war. Er ist ein Ästhet und spielt nur mit einem einheitlichen Figurensatz. Es waren nur wenige "falsche" Figuren auf seinem Brett, die er mit umliegenden Brettern schnell austauschen konnte. Wir stellten dann noch fest, dass ich kein Ästhet sei, da ich am Vortag mit sage und schreibe 6 verschiedenen Figurensätzen gespielt hatte.
Wir spielten gegen Feldkirch, ebenfalls eine Mannschaft aus dem gesicherten Mittelfeld. Meine Partie endete mit einem Kurzremis. Gegen einen IM mit Schwarz war ich damit natürlich zufrieden. Ivan erreichte nach interessanter Partie ein gewonnenes Turmendspiel, welches er wohl noch unter dem Schock vom Vortag leider zum remis verdarb. Helmut gab sich mit einem Bauern mehr erneut mit remis zufrieden. Johannes spielte eine seiner unvergleichlichen Partien. Nachdem er schon am Vortag verkündet hatte, dass er gerne unkonventionelle Eröffnungen (z.B. Alt-Polnisch, ich wusste nicht einmal, dass es solch eine Eröffnung gibt) spielt, um den Gegner aus dem Konzept zu bringen, kam tatsächlich Alt-Polnisch aufs Brett. Er nutzte schließlich seinen theoretischen Vorsprung und hatte nach vielen taktischen Verwicklungen am Ende einen Turm mehr und gewann. Josef spielte Königsgambit und erarbeitete sich eine recht vielversprechende Stellung. Außerdem verbrauchte sein Gegner sehr viel Zeit. Nach 20 Zügen hörte dieser auf mitzuschreiben, was wie ja vorher erklärt worden war, nicht rechtens war. So um den 30. Zug schaute der Schiedsrichter am Brett vorbei und forderte ihn auf die Züge sofort nachzuschreiben. Er hatte gerade 1.30 min auf der Uhr. Man hat selten jemand so schnell Züge abschreiben sehen. Er schaffte dies und später auch die Zeitkontrolle. Josef fand mit einem Bauern mehr sicher nicht den besten Weg, konnte sich dann aber doch durchsetzen. Christof verpasste einmal günstig Rochade zu machen, danach war er doch ziemlich chancenlos. Ein 3:3 mit dem wir wieder nicht so recht zufrieden waren. Am Abend sagte ich Werner beim zünftigen Ripperle-(Rippchen) Essen, dass ich noch nie eine Mannschaft gesehen habe, die so viele Punkte vergibt ohne ab und zu auch mal welche geschenkt zu bekommen. Er meinte auch, dass sich das irgendwie ändern müsste, und es sollte sich ändern.

Sonntag

Sonntag ist Rundenbeginn traditionell 10.00 Uhr. Dieses Mal hatte ich die Ehre mit Ivan zusammen nach Jenbach zu fahren. Der linke Spiegel fehlte und die gesamte linke Seite war etwas eingedellt, aber das schien die Funktionstüchtigkeit nicht zu beeinflussen. Allerdings bildete sich auf einer eigentlich um diese Uhrzeit kaum befahrenen Straße schnell ein Stau hinter uns. Aber wie Ivan mir erklärte, muss man mit einem Dieselmotor (seiner hat immerhin schon 570.000 km hinter sich und muss noch weitere 200.000 km halten) die ersten 20 Minuten recht langsam fahren. In der insgesamt 6. Runde hatten wir es mit Wörgl einer Mannschaft aus dem hinteren Mittelfeld zu tun. Da wollten wir nun endlich den ersten Mannschaftssieg des Wochenendes einfahren. Ivan tauschte in einer Französischen Partie relativ schnell alles ab und einigte sich dann auf remis. Ich stand immer etwas besser und wickelte dann in ein Damenendspiel ab, in dem ich ein einzügiges Dauerschach übersah. Bei Josef lief die Eröffnung völlig daneben und er verlor in einer Kurzpartie. Helmut hatte einen Bauern weniger und stand sehr kritisch. Johannes' Stellung gefiel mir auch nicht besonders, da seine Bauern etwas zerstreut waren, was wieder auf seine Eröffnungswahl (1.g4) zurückzuführen war. Christof stand auch leicht schlechter, allerdings mit guten Remischancen. Mit diesem Stand verabschiedete ich mich und trat die Rückfahrt an. Später rief mich dann Werner im Zug an und meldete mir einen 3,5:2,5 Sieg. Unglaublicherweise hatten Helmut und Christof noch gewonnen und Johannes leider verloren. Kaum war ich nicht mehr vor Ort und schon bekamen wir endlich auch einmal ein paar Pünktchen geschenkt.
Auf der Rückfahrt machte ich dann den mittlerweile auch zur Tradition gewordenen Stop in Weimar (dieses Mal in Verbindung mit Babysitten und Kinobesuch in Jena). Somit endete ein amüsantes Schachwochenende in Österreich.

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