Schach auf dem Lande

Dr. Constantin Schwede Es ist uns immer eine besondere Freude gewesen, wenn wir die Wahrnehmung machten, daß das Schachspiel in einem Kreise Pflege fand, in dem man nur Liebe zu leichterer, aber auch gefährlicherer Zerstreuung (Kartenspiel !) zu finden gewöhnt ist. Wir berichten heute mit Vergnügen, daß sich in nicht sehr weiter Entfernung von Leipzig ein zweites Ströbeck aufgetan hat. Vor ein paar Monaten machte C. Schwede im Café Hanisch die Bekanntschaft des Herrn Franz Ohme, Gasthofbesitzer in Löberitz bei Zörbig. Dieser, ein warmer Freund des Schachspiels, erzählte, daß es ihm gelungen sei, die Landleute seines Wohnungsortes zu einem Schachclub zu vereinigen, und knüpfte an seine Mitteilung die freundliche Bitte, daß ihn einige "Leipziger Herren" besuchen möchten. Schwede, sowie ferner die Herren J. A. Metger und E. Hoffmann beschlossen, die Einladung zu akzeptieren und fuhren alsbald wohlgemut nach der Station Stumsdorf (unweit Halle) ab.
Johannes Metger Dort angelangt, wurden sie zu Wagen nach Löberitz gebracht. Alle drei hatten sich, wie natürlich darauf gefaßt gemacht, außer Herrn Ohme nur wenige und "erschreckliche" Schachspieler zu finden, sahen sich aber zu ihrer Freude in der Folge sehr getäuscht. Sie wurden von Herrn Ohme sehr liebenswürdig empfangen, und nachdem sie sich etwas restauriert hatten, begann das Spiel. Schwede spielte ohne Vorgabe gegen Herrn Ohme eine Partie blindlings und gewann sie nur mit viel Mühe. Später glaubte der Leipziger, obschon er bereits viel im Vertilgen des Gerstensaftes geleistet hatte, das Experiment im verdoppelten Maßstabe wiederholen zu dürfen. Da war er aber schön angekommen. Seine Gegner "vermöbelten" ihn schließlich recht gründlich. Gegen Abend waren alle Schachspieler versammelt, und das in der Zahl von ca. 15 (!) Personen. Es wurde waidlich gekämpft und der Ernst und die Liebe, womit die schlichten Landleute die Sache behandelten (sie wollten während des Blindlingsspiels nicht einmal laut reden) hinterließ auf die Leipziger Gäste einen höchst angenehmen Eindruck. In später Stunde trennte man sich endlich, nicht ohne daß die Leipziger versprochen hatten, im Sommer ihren Besuch zu wiederholen. Und sie werden gern Wort halten, wenigstens zwei von ihnen.
Bleibt noch nachzutragen, daß einer der Besucher, Dr. Constantin Schwede, 1878 die Deutsche Schachzeitung redigierte und J. A. Metger später als Meisterspieler von sich Reden machte.

Quelle: "Deutsche Schachzeitung", Mai-Ausgabe 1874, S. 140/141
Bildquellen:
1) Dr. Constantin Schwede: "Am sprudelnden Schachquell", 1876-1926, Festschrift des Dresdner Schachvereins von Dr. Friedrich Palitzsch
2) Johannes Metger: Löberitzer Schachmuseum

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