Buchempfehlung: "Eine eigene Welt auf 64 Feldern" von Gerhard und Jan Richter

"Gérard" Richter in Grübelpose vor dem Ernst-Abbe-Sportfeld Es ist mir ein besonderes Bedürfnis, hier das Buch "Eine eigene Welt auf 64 Feldern" von Gerhard und Jan Richter vorzustellen. Gerhard und Jan, die ich als freundliche und faire Spieler sehr schätze, sind bei den fuß brothers in Jena aktiv und haben mit der Herausgabe des Buches aus Anlass von Gerhards 80. Geburtstag eine lange schlummernde Idee verwirklicht.
In vielen liebevollen Details und z. T. humorigen Episoden wird aus Gerhards langem Schachleben erzählt, begleitet von Jans Fragen. In jeder Zeile ist dabei die Leidenschaft für unsere 64 Felder zu spüren. Zwangsläufig ist es ein schönes Dokument der Zeitgeschichte. Etwa wenn bei einem Jugendmannschaftsturnier in Ungarn lange vor der Wende vor Ort nicht wie angekündigt Mannschaften aus der UdSSR und CSSR, sondern aus der BRD die Gegner sind und was dies nach sich zog. Oder wenn Gerhard noch ganz ohne Computer mit dem Steckschach die Fernpartien in der Bahnhofs-Gaststätte analysiert und daraufhin vom Mitropa-Kellner mit dem Hinweis "Keine Glücksspiele!" ermahnt wird.
Das Buch hat natürlich vor allem viele Thüringer Bezüge, da Jena die Hauptwirkungsstätte von Gerhard war und ist. So hat er u. a. Thomas Casper - heute Internationaler Meister - betreut und trainiert.

Einband und Klappentext Aber auch aus Sicht von Sachsen-Anhalt finden sich einige Anknüpfungspunkte. Klaus Quinque, Joachim Kirmas und eine Kurzpartie bei den Jugendmeisterschaften gegen Anton Csulits sind alle Teil der kommentierten Partien, immerhin 25 an der Zahl. Weiterhin finden sich im Buch 25 Taktik-Aufgaben.

Zweifellos bin ich positiv voreingenommen, aber ich denke, Schachliebhaber im Allgemeinen und solche mit Affinität für die regionale Schachgeschichte im Besonderen werden ihre Freude am Buch haben. Unten findet Ihr den Klappentext und eine Leseprobe. Ich möchte aber noch ein weiteres Zitat liefern, das speziell für unseren Raum von Interesse sein könnte. In der Einleitung zu einer Partie gegen unseren Landesmeister von 1998 Karl-Heinz ("Tüte") Lehmann wird der Frage nachgegangen: Woher stammt eigentlich der Name Lützkendorf?

Ich habe mich früher oft gefragt, woher eigentlich der Name "Lützkendorf" kommt. Wenn wir zu Auswärtsspielen bei den Lützkendorfern antreten mussten, waren wir immer in Krumpa zu Gast. Es gab dort, in der Nähe des großen Chemiestandortes Leuna, eine Fabrik VEB Mineralölwerk Lützkendorf, doch keinen Ort desselben Namens.
Tatsächlich wurde Lützkendorf - wie ich heute weiß - bereits 1938 zum Ortsteil von Krumpa erklärt. Da das Mineralölwerk jedoch zwei Jahre vorher gegründet worden war, blieb der Name erhalten. Dies ist umso verwirrender, als auch der eingemeindete Ortsteil 1963 im Zuge des Braunkohleabbaus komplett abgebaggert wurde. So überlebte der Name des Örtchens Lützkendorf nur in der Chemieindustrie und im Schach, und auch das nur bis zur Wendezeit.

Seebrücke im Geiseltalsee bei Braunsbedra Wo einmal Lützkendorf lag, ist heute überall Wasser. Die ehemalige Ortsflur befindet sich im größten künstlichen See Deutschlands, dem Geiseltalsee im südlichen Sachsen-Anhalt. Lützkendorf ist im doppelten Sinne ein versunkener Ort, schön und traurig zugleich.

Für uns war Lützkendorf seinerzeit eine sportliche Bastion. Offensichtlich gab es im VEB Mineralölwerk einflussreiche Fürsprecher des Schachsports, denen es gelang, alles an spielerischer Qualität einzusammeln, was in der erweiterten Region auftauchte. So war und blieb die BSG Chemie Lützkendorf einer unserer Hauptkonkurrenten, unabhängig davon, in welcher Liga man sich traf. Und ein Sieg gegen Lützkendorf war immer ein wertvoller Punkt.

Das Buch umfasst 174 Seiten und ist bei der Akademischen Verlagsbuchhandlung Friedrich Mauke, Jena zum Preis von 15 EUR erschienen. Interessenten wenden sich bitte direkt an den Verlag oder an Jan Richter
Bildquelle Seebrücke (Bild nicht Teil des Buches): Wikipedia

Reyk Schäfer

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