Franz Ohme

Wenn über das Schach in Löberitz berichtet werden soll, so muß unbedingt auf die Person des Franz Ohme eingegangen werden. Ein Mann, der Dreh- und Angelpunkt des Löberitzer Schachlebens war und auch sonst viele bemerkenswerte Leistungen vollbrachte. Für die Schachspieler war natürlich die Gründung und Leitung des Schachclubs das herausragendste und bedeutendste Ergebnis eines unruhigen, mit vielen Ideen und Initiativen ausgefüllten Lebens. Doch bis es dazu kam, erst einmal einige Jahre zurück.
Am 8. September des Jahres 1834, der Geschützdonner der Völkerschlacht bei Leipzig war erst zwei Jahrzehnte verklungen, wurde dem Gasthofbesitzer Johann Gottlieb Ohme mittags 1.00 Uhr ein Sohn geboren.
Keiner ahnte, welche Bedeutung der kleine Friedrich Franz Ohme viele Jahre später im Gemeindeleben des Dorfes erlangen sollte. Nach dem Besuch der alten Löberitzer Dorfschule erlernte er den Beruf eines Seilers, und nur wenige Jahre später legte Franz Ohme in diesem Beruf den Meisterbrief ab. Zur Berufsausübung kam es aber nicht, denn mit dem Tod des Vaters mußte der Gaststättenbetrieb übernommen werden.
Die "Weintraube" war schon seit jeher der größte Gasthof in Löberitz und brachte deshalb genug an Arbeit mit in die Erbschaft. Die Gastwirtschaft war der kulturelle Mittelpunkt des Dorfes. Ständige Theateraufführungen und selbst Opern und Operetten waren an der Tagesordnung. Am 29. März 1882 wurde dort sogar die durch eine lebende Schachpartie berühmte Operette "Der Seekadett" aufgeführt. Heutzutage ist diese Operette kaum bekannt, die Schachspieler kennen aber das sich daraus ableitende "Seekadettenmatt".

Zörbiger Bote vom 29.3.1882, Titelseite Zörbiger Bote vom 29.3.1882, S. 4

Höhepunkte des Jahres waren Fasching, Kirmes und im Sommer eine "Italienische Nacht" mit abschließendem Feuerwerk im Garten. Der Gesangsverein, der Schachclub, der Turnverein, Tanzschulen und viele andere Personenkreise des pulsierenden Dorflebens hatten hier ihre Heimatstatt. Neben der Gaststätte unterhielt Franz Ohme noch einen Lebensmittelladen. Am 10. Mai 1873 wurde ihm vom königlichen Postamt die Lizenz zur Unterhaltung einer öffentlichen Verkaufsstelle für Postwertzeichen übertragen. Diese Poststelle, die übrigens noch heute im gleichen Gebäude ihren Dienst versieht, war eine der ersten in der Gegend. Aber auch im kulturellen Leben stand Franz Ohme seinen Mann und bewies auch dort sein vielseitiges Geschick. Neben der Mitgründung des Schachclubs hob er 1865 den Turnverein aus der Taufe. Diesem stand er viele Jahre als Vorsitzender vor. Auch die Freiwillige Feuerwehr wurde von ihm 1867 mitgegründet, und noch im hohen Alter war er stellvertretender Feuerwehrhauptmann. Er interessierte sich sehr für die Heimatgeschichte, und so ist es nicht verwunderlich, daß er am 2. Oktober 1889 zum "Pfleger für das Provinzialmuseum Halle" (dem heutigen Landesmuseum) ernannt wurde.
1869 heiratete Franz Ohme die aus Domnitz stammende Ernestine Rudloff. Im Jahre 1875 verkaufte er die "Weintraube" an Wilhelm Pielenz, der selbst ein aktiver Schachspieler war, und übernimmt als Teilhaber die Ziegelei zwischen Zörbig und Löberitz. Später geht sie ganz in sein Eigentum über.
Nach anfänglich großen wirtschaftlichen Erfolgen wird dieser Betrieb, hervorgerufen durch eine wirtschaftlich schlechte Lage und des dabei auftretenden harten Konkurrenzkampfes, zu einem Verlustgeschäft.
Am 29.04.1894 kommt es zum ersten Konkursverfahren, das zwar am 17.05. des gleichen Jahres noch einmal aufgehoben werden konnte, doch nachdem 1897 die Eisenbahn auf der Strecke Bitterfeld-Zörbig-Stumsdorf ihren Betrieb aufnahm, kommt die Konkurrenz auch noch von auswärts. Im Juli 1900 muß Franz Ohme nochmals Konkurs anmelden. Auch dieses Verfahren wird noch einmal aufgehoben, ehe dann 1903 die Firma endgültig Pleite geht. Deshalb wird am 11. April 1903 die im Handelsregister A des königlichen Landesgerichtes Zörbig unter Nr. 19 eingetragene Firma von Franz Ohme gelöscht. Kurze Zeit später verzieht Franz Ohme. Leider läßt sich dadurch nicht mehr Todesjahr und -ort ermitteln. Er, der das Löberitzer Kulturleben fast ein halbes Jahrhundert mitgestaltete, starb vereinsamt und unbeachtet. Dennoch hat sein bewegtes Leben mit der Fortführung seiner schachlichen Ideen eine Erfüllung gefunden.

Konrad Reiß

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