Cappelle La Grande, Frankreich 2010 (II)

Montag, der 15. Februar 2010

Cappelle La Grande Dies war mit Abstand der stressigste Tag überhaupt, denn es war eine Doppelrunde angesetzt. Die erste Runde des Tages sollte um 9:00 Uhr stattfinden, das heißt, die Busse fuhren gegen 8:30 Uhr von den Hotels los und deshalb wurde unser Frühstück über anderthalb Stunden vorverlegt. Da ich am Vortag verloren hatte, bekam ich diesmal wieder einen deutlich schwächeren Gegner aus Frankreich. Vorbereitet hatte ich mich nicht, da wir die Auslosung fast immer erst zum Frühstück ansehen konnten und da mein Gegner nominell schwächer war, machte ich mir keine Sorgen. Und ich sollte auch recht behalten. Die Partie entwickelte sich zu einem schlechten geschlossenen Sizilianer für Weiß und ich hatte nichts zu befürchten. Nach ungünstigen weißen Zügen gelang es mir mit Tempo d5 zu spielen und ich freute mich schon eine Figur gewonnen zu haben, als mein Gegner noch einen Zug fand, aber dafür konnte ich seine Dame so an den Springer fesseln und die Fesselung ausnutzen, dass ich schnell eine Qualität gewann und nach einigem Abtausch in ein Turmendspiel abwickeln konnte, wobei der gegnerische Springer mehr oder weniger gefangen wurde und mein Gegner frühzeitig aufgab. Ich hatte also auch diesmal viel Zeit bis zum Mittagessen. Auf den Tisch kam diesmal "tarte bande 4 fromage" (eine Art Flammenkuchen mit vier Käsesorten), "rôti de beouf et son jus de veau - frites et haricots verts" (Roast Beef in eigener Soße mit Pommes und grünen Bohnen), sowie "fromage" und "Millefeuille" (ich kann mich nicht erinnern, etwas Vanilleartiges gegessen zu haben ...).
Gegen 16:00 Uhr wurde die vierte Runde eröffnet. Mit zwei Punkten aus drei Runden wurde ich wieder gegen einen stärkeren Gegner ausgelost. Diesmal kam meine Konkurrentin aus Litauen und wie ich vorbereitet hatte, spielte sie Drachen und ich wandte Normis Variante mit Le2 an. Sie spielte nicht ganz die Hauptvariante und ich müsste eigentlich auch schneller mit h4-h5 angreifen, um die Linie zu öffnen, aber ich war mal wieder zu ängstlich. Doch nach einiger Zeit gefiel mir meine Stellung und dachte ich stehe besser, aber Rybka 3 sieht das nicht wirklich so, außer an einer Stelle, an der ich es zu einem Dauerschach schaffe. Aber diese Idee habe ich nicht gesehen, sodass meine Abwicklung nicht so vielversprechend war und ich Material verlor und damit auch die Partie. Da die Partie recht lange dauerte musste ich diesmal nicht lang auf die anderen beiden warten, denn Judith war schon fertig und Hanna Marie auch bald. Zum Essen gab es nun "potage, escalope vienniose - pommes vapeur et épinards à la crème (Truthahn mit Kartoffeln und Spinat). Der Tag ging verhältnismäßig spät zu Ende, da wir erst 23:00 Uhr mit dem Bus zurück zum Hotel fahren konnten.

Dienstag, der 16. Februar 2010

Am 4. Turniertag war nur eine Runde geplant, sodass wir mehr oder weniger ausschlafen konnten und uns wieder 9:30 Uhr zum Frühstück verabredeten. Dort war unser erster Gang wie immer zur Auslosung. Mein Gegner war H. K. Simonssen. Der Name sagte mir zunächst noch nichts, aber als wir dann in ChessBase nach meinem Rivalen suchten und ein Bild zu sehen war, wusste ich, wer mein Gegner ist und war überhaupt nicht froh darüber. Ich war drei Runden zuvor schon auf ihn aufmerksam geworden, da er mir schräg gegenübersaß, verspätet zur Runde antrat und keinen gepflegten Eindruck hinterließ. Ich war also alles andere als angetan von meinem Widersacher.
Aber vor dem Beginn der Partie gab es ja noch das Mittagessen, welches heute aus "crêpe champignons-fromage" (einer Art Eierkuchen gefüllt mit Käse und Pilzen), "poisson blanc sauce Dugléré - brunoise de légumes et riz" (weißer Fisch mit Reis und Möhren), "fromage" (Edam) und "cône glacé" (Eis).
Wie auch drei Runden zuvor, kam mein Gegner ein wenig verspätet zur Partie und seinem Gesichtsausdruck nach, hatte er nicht mit so einem jungen Mädchen, wie mir gerechnet, denn nach der Partie fragte er mich, wie alt ich sei und dass er mich jünger eingeschätzt hätte. Gespielt wurde meine Slawischvariante mit Tausch auf c4. Mein Gegner schien sich recht gut auszukennen und ich machte auch einen seltsamen Fehler, in dem ich einfach Se5 übersah, sodass er meinen weißfeldrigen Läufer so abtauschen konnte, dass mir ein Doppelbauer verpasst wurde. Dann hatte ich wieder Angst vor irgendwelchen Angriffsideen auf meinen König und wehrte mich mit der Öffnung meiner Königsstellung mittels f6, später folgte noch f5. Nun sah meine Stellung zwar schlecht für mich aus, aber auch Weiß musste sehr genau spielen, was ihm nicht immer gelang. Ich bot den Damentausch trotz meines Springerpaars gegen das Läuferpaar an, aber wie sich später zeigte, war es für meine Springer einfacher die Stellung zu dominieren, als für die beiden Läufer. Meine Position wurde also mit fast jedem Zug nach dem Damentausch verbessert und ich wickelte in ein Turmendspiel ab, in dem ich zwar einen Bauern gewann, aber der Weiße konnte seinen Trum auf der einzigen offenen Linie platzieren und meinem König Dauerschach geben. Mein erster und einziger halber Punkt gegen einen nominell besseren Gegner. Übrigens war er von den Färöer-Inseln. Ich hatte es also bis Runde fünf geschafft, gegen Gegner aus verschiedenen Nationen ausgelost zu werden.
Zum Abendessen wurde zuerst "potage" (Suppe) und dann "fondant de poulet aux petits légumes - macaronis et gruyère" (Hühnchen mit Gemüse, Nudeln und Käse), "yaourt aromatisé", sowie "tarte moelleux abricot" (Aprikosenkuchen).

Mittwoch, der 17. Februar 2010

Dieser Tag sollte für mich einer der schlimmsten werden. Schon bei der Busfahrt zum Spiellokal wollten mir die beiden Mädchen einreden, dass mein Gegner nur so eine kleine Zahl hat und ich mich nicht wirklich anzustrengen brauchte. Doch ich schwieg nur in mich hinein und dachte mir meinen Teil. Im Nachhinein war es die gleiche Situation, wie bei der Landesmeisterschaft kurz zuvor, da hatte ich das gleiche Gefühl. Auch dort habe ich mir von allen anhören dürfen, dass Franziska Becker doch keine ernst zu nehmende Gegnerin sei. Und man hat ja gesehen, wie einfach es war.
Bevor jedoch die Partie freigegeben wurde, waren wir wieder mal beim Mittagessen. Diesmal wurde als Vorspeise ein Stück vegetarischer Pizza serviert und als Hauptgang folgte dann "cuisse de poulet chasseur - frites et poêlée de légumes" (Hähnchenschenkel mit Pommes und einem Gemüsemix aus Möhren und Erbsen), "fromage" und einer "tarte au chocolat" (Schokoladenkuchen).
Meinem Vorhaben nur gegen verschiedene Nationen zu spielen, wurde ich auch nicht gerecht, denn mein Gegner kam aus Frankreich, wie auch schon mein dritter Kontrahent. Vorbereitet hatte ich mich auf eine Variante im Sveshnikov, aber mein Widersacher stellte seine Zugreihenfolge so geschickt um, dass ich ihn nicht in meine vorbereitete Variante zwingen konnte. Aber auch ohne spezielle Vorbereitung lief alles ganz gut, denn der Schwarze hatte merkwürdige Ideen. Leider gelang es mir nicht, seine Position auszunutzen, dennoch stand ich besser, vor allem auf den schwarzen Feldern. Tatsächlich habe ich auch zwei Gewinnmotive gesehen, die auch Anwendung gefunden haben müssten, aber ich habe es einfach nicht gezogen, obwohl ich daran rechnete!?
Meinem Gegner gelang es danach in ein leicht besseres Turm-Läufer-Endspiel für ihn abzuwickeln. Doch auch hier wollte ich noch einige Zeit weiterspielen und Ideen, die zu meinem Gewinn geführt hätten, ausprobieren. Doch mein Gegner wehrte alle erfolgreich ab und ich begann die Stellung zu meinen Ungunsten zu öffnen, was mich einen Bauern kostete und noch dazu die Läufer abgetauscht wurden. Schnell verlor ich auch noch einen zweiten Bauern und mein Konkurrent versuchte erfolgreich zu gewinnen. Wobei ich noch erwähnen muss, dass er sich wirklich ungeschickt anstellte und ich es eigentlich schaffte dreimal die gleiche Stellung aufs Brett zu bekommen, aber auch zum Reklamieren war ich aus unerklärlichen Gründen zu feige und hatte meine Remischanche endgültig verpasst. Nach stolzen sechs Stunden hatte ich also unglücklicherweise verloren und das Abendessen hatte schon angefangen. Ich verpasste jedoch nichts, denn auch für verspätete Spieler wurde jedes Gericht aufgetafelt. Dieses Mal gab es "potage, boeuf Bourguignon et purée" (Fleisch und Kartoffelpüree), "yaourt, tarte pommes rhubarbe" (Apfel-Rhababer-Kuchen).
Da Hanna Marie und ich nach dem Essen noch am Laptop saßen, hätten wir fast den Bus zu unserem Hotel verpasst, wenn Judith ihn nicht aufgehalten hätte und uns holen gegangen wäre. Das wäre wirklich ein passender Abschluss zu einem solch schönen Tag geworden.

Donnerstag, der 18. Februar 2010

Ich sollte nun schon wieder gegen eine Französin spielen, doch auch ihre etwas bessere Zahl als die des Vorgängers konnte mich nicht wirklich aufheitern, was sich auch bei der Vorbereitung auch noch besser zeigen ließ. Da sie gewöhnlich mit 1.f4 aufzuschlagen gesuchte.
Aber auch bevor diese Partie begann, gab es mal wieder etwa zu essen. Donnerstag war mit der einzige Tag, an dem es mal keinen Flammenkuchen als Vorspeise gab, sondern "betterave rouge et thon", was ganz einfach rote Bete mit Thunfisch war, aber trotzdem sehr lecker schmeckte, zumindest für meinen Teil. Weiterhin wurde "gigot d'agneau sauce au thym - flageeolets et pommes vapeur" (Lammhaxe mit kleinen grünen, nach Soja, Bohnen und Kartoffeln), sowie "mimolette" (Käse) und "chocolat éclaire" serviert.
Nun zu meiner Partie, wie schon oben erwähnt, gefiel es meiner Gegnerin mit 1.f4 zu spielen und ich konnte mich noch an eine uralte Vorbereitung mit Normi erinnern, in der er mir Ideen mit La6 gezeigt hatte, um den weißfeldrigen Läufer zu tauschen. Dies funktionierte auch alles wunderbar, doch ich hatte statt mich zu entwickeln lieber eine Idee vorgezogen, das Zentrum zu öffnen. Dabei konnte ich ihren Springer fangen. Leider hatte sie noch einige Zwischenzüge, die zwar nicht den Springer retten konnten, aber mit dazu verleiteten meinen Springer an den Rand zu stellen, was mir im weiteren Verlauf der Partie zum Verhängnis werden sollte. Denn mit meinem Gaul am Rande, konnte sie geschickt im Zentrum opfern und meinen König attackieren. Ich fand zwar noch clevere Verteidigungsideen, die jedoch hinfällig waren, da ich mich in meiner Vorausberechnung geirrt hatte, was die Felder meiner Dame angeht. Meine Gegnerin zog es aber vor mir Remis anzubieten (es drohte Dauerschach), anstatt ihre Stellung zu verbessern und vielleicht trotz der Minusfigur zu gewinnen. Also nochmal Glück gehabt ...
Ich hatte also wieder einiges an Zeit, um z.B. meine Partie auszuwerten. Jedoch gestaltete sich das doch nicht so einfach, wie gedacht. Zuerst fragte meine Gegnerin mich, ob ich denn Französisch spreche und ich entgegnete ihr, dass ich es ein wenig könne. Nachdem ich ihren weiteren französischen Ausführungen jedoch nicht folgen konnte, schaltete sie um auf Englisch, was kein Problem darstellte. Als sich Judith dann zu unserer Partie dazu gesellte und meiner Kontrahentin (übrigens aus Cappelle) auf Englisch erklären wollte, dass meine Stellung verloren sei, verstand sie plötzlich kein Wort mehr und guckte uns komisch an. Wer versteht schon die Franzosen?!
Zum Abendessen gab es dann jedenfalls "potage, brochette de poulet Médina - semoule et ratatouille" (Hähnchenspieß mit Kuskus und Ratatouille), "yaourt" und "flan pâtisser" (Vanillekuchen). Das Abendessen wurde an diesem Tag meist von einer Frage beherrscht, die sich darauf bezog, wann und wo wir uns für den Bus am Sonntag einzutragen haben. Glücklicherweise saß uns ein Organisationsmensch gegenüber und im Laufe der Gänge erfuhren wir auch noch, dass es Stéphane Gouvart war, der einer der wichtigsten Organisationsleiter ist. Judith beauftragte also mich und Hanna Marie als "Französischmächtige" unseren Platz auf der Busliste klar zu machen. Doch wir waren viel zu schüchtern und Judith ergriff dann doch auf Englisch die Initiative, als er gerade aufstehen wollte, und sicherte uns drei Plätze im Bus nach Brüssel.

Pauline

Bildquelle: Wikipedia fr

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