Chess Classic Mainz 2007

In the Lap of the Gods

Wo wo la la la wo
Wo wo la la
Wah wah ooh

Classic-Dauerbrenner Vishy vs. Levon "Ruuudiii", schallt es bei jeder Ballberührung aus dem Fernsehraum in Frankfurt-West zwischen der letzten Runde des Ordix-Opens und der Siegerehrung, ganz gleich, ob Illgner, Kohler oder Tante Käthe selbst das Leder treten. Ralf Lau und Larry Christiansen sorgen auf ihre Art für WM-Atmosphäre. Und lassen sich die gute Laune auch nicht vermiesen, als Stoitchkov und Lechkov das Matthäus-Tor mehr als egalisieren. Auch in der Turnhalle zugegen: Vishy Anand. Dreizehn Jahre später sind Lau, Christiansen und Rudi nicht dabei, das Turnier ist längst nach Mainz in die größere Rheingoldhalle umgezogen, aber Vishy ist immer noch am Ball – ich bin es das erste Mal seit der Premiere wieder.

I'll face it with a grin
I'm never giving in
On - with the show

Vishy mit Benoni problemlos zum Remis Gleich zu Beginn ist das Classic-Team um Hans-Walter Schmitt natürlich mit höchsten Ansprüchen angetreten – das 40-Bretter-Simultan stammt beispielsweise noch aus dieser Zeit. Den damals 183 Teilnehmern im Ordix-Open standen diesmal 762 gegenüber, und man konnte am Ende mit über 100 Spielern punktgleich sein. Da lobt man sich bei der Auslosung die Alpha-Listen ...
Großbildschirm im Foyer Vorab nur kurz zum Hauptprogramm, über das andernorts sicher ausführlicher berichtet wird. Die 4er-Turniere im Chess960 und Schnellschach zwischen Anand, Aronian, Bacrot und Kasimdzhanov litten etwas unter der spürbaren Überlegenheit der beiden A. Dennoch natürlich ein Höhepunkt. Ob Anands neuerlicher Schnellschach-Sieg tatsächlich einen psychologischen Vorteil für Mexico bedeutet, wie Johannes Fischer hier annimmt, darf indes bezweifelt werden. Die Akteure waren sich des Show-Charakters der Veranstaltung sicher bewusst und steckten es auch locker weg, dass sie der Türsteher zur Erheiterung des Publikums nicht ohne Eintrittskarte in den Saal lassen wollte.

Listen to the wise (listen to the wise) (listen to the wise)
Listen to the wise man (listen to the wise man) (listen to the wise man)

Endlos-Interview Natürlich wurde auch wieder viel kommentiert und auf Screens übertragen, sowohl in der Halle als auch draußen im Foyer. So konnte man zu den Abendveranstaltungen der Anand, Aronian & Co via Kopfhörer dem eingespielten Team Daniel King/Klaus Bischoff lauschen (Klaus nach fünf Stunden eigenen Spiels zuweilen "schlafmützig", wie er einräumte, aber natürlich gewohnt eloquent). Aber auch im Foyer war es interessant und wesentlich lockerer (wenn auch verrauchter) als in der Halle. Kommentator Fabian Döttling ging mit den bewusst naiven (aber doch nett gemeinten) Fehleinschätzungen von Heimaturlauber Hawkeye souverän um (es schien aber dennoch spontan und nicht abgesprochen zu sein).
Tkachev hat nicht mitgespielt Einiges zu gucken gabs aber auch schon während des Ordix-Opens, lag doch der ELO-Schnitt der Top 10 jenseits der 2700er-Marke. Die ersten Bretter wurden ebenfalls auf Screens übertragen, so dass man z. B. auch mal in der eigenen Partie eine kurze Auszeit nehmen oder sich anschließend sattsehen konnte. Sobald eine der übertragenen Spitzenpartien beendet war, wurde auf eine noch laufende gewechselt.
Die Mammut-Auslosung hatte das Team gut im Griff – der Rundenbeginn wurde auch im Foyer gut hörbar durch Musik eingeläutet. Gespielt wurde immer ein anderer Song, und das ausschließlich von Queen ("Die Musik ist gut!", Riker zu Mikly – vor jeder Runde; summend zuweilen auch Chucky, aber eher ukrainische Volksweisen. Seine bevorzugte Sprache in Mainz war übrigens spanisch).

If I could only reach you
That would really be a breakthru

Noch ein Dauerpärchen: Chucky und Manuel León Hoyos Ich hatte mich kurzfristig zum Spielen entschlossen, in der Hoffnung knapp die zweite Setzhälfte (Gegner Chucky!) zu erreichen, wurde aber enttäuscht. Die Erstrundenpaarungen Ivanchuk - Beutel und Rosa - Mamedyarov schienen ohnehin gesetzt worden zu sein - wer könnte es den Organisatoren wohl verdenken.
Normi (Parimarjan Negi, ab heute bei Rising stars vs. Experience in Amsterdam am Start) und Tom (Gabriel Sargissian) erwischten zwischenzeitlich prominente Gegner. Beide konnten aber letzten Endes die Großen nicht ärgern. Tom hatte bereits das Chess960-Open in den Knochen (Interessierten aus der Region sei das Turnier am 2.9. in Zeitz empfohlen. Achtung: Turnier entfällt!), bei Normi ging das Finish zudem völlig daneben. Jürgen zeigte sich zufrieden mit +2, für einen Preis fehlte ein halbes Pünktchen und etwas Wertung. Mikly konnte nicht an die 2004er Sternstunde anknüpfen und benötigt für die Balance der Jahre Normi vs. Parimarjan Negi neuerliche +2. Richtig gut lief es für den Solinger Markus Schäfer, der an unseren abendlichen Mainzer Innenstadt-Touren teilnahm. Mit 8,5/11 gegen starke Gegner landete er in den Hauptpreisrängen. Grund zur Freude auch bei einem weiteren alten Bekannten: Ferdi erzielte 7/11 und Rang zwei in der Ratinggruppe bis 2200! Stark übrigens Christian Seel (Siege gegen Volokitin, Naiditsch, Mamedyarov!).

This is (this is) a kind (a kind) of magic (yeah)
There can be only one one one one

ZÜ Weiß in Pentala Harikrishna - Navara Gewonnen hat - sehr zur Freude vieler Zuschauer - David Navara. Einmal profitierte er dabei auch von einem Blackout seines Gegners (Harikrishna Pentala), als der in der nebenstehenden Gewinstellung die Zeit überschritt (siehe auch Partienteil). Die ZÜ in dieser Stellung erscheint unverständlich, da mit 20min + 5 Sekunden pro Zug gespielt wurde. Aber 5 Sekunden sind nicht viel und erzeugen in technischen Stellungen schnell mal eine trügerische Sicherheit. Rutz putz ist die Zeit dann weg, wie ich ebenfalls erfahren durfte.
David Navara Mehr zum Turnier gibt es natürlich auf der Chess-Classic-Seite, aber auch in den bekannten Blogs, z. B. in denen von Georgios Souleidis, Etienne Bacrot oder Dennis Monokroussos (einschließlich kommentierter Partien). Mehr Rhein-Main-Flair, Heiligen Geist (ob nun in Wodka oder Tequila verborgen) und Tomaten- bis Novellenartiges gabs dank Miklys Offenbacher Gastfreundschaft. Merci!

Gonna ride the whirlwind
It ain't dangerous - enough for me

Anand - Bilawer Zum Schluss nochmal ein kleiner Blick zurück nach 1994. Als ich mich für diesen Bericht ein bisschen in den Archiven umgeschaut habe, durfte ich feststellen, dass es die Partie Anand (Simultan) - Bilawer (1. e4 Nf6 2. e5 Nd5 3. d4 d6 4. Nf3 dxe5 5. Nxe5 Nd7 6. Nxf7 Kxf7 7. Qh5+ Ke6 8.c4 N5f6 9. d5+ Kd6 10. Qf7 Ne5 11. Bf4 c5 12. Nc3 a6) zu verschiedenen Eröffnungsbuch-Ehren gebracht hat. Zum Beispiel widmen ihr Knaak/Müller in 222 Eröffnungsfallen nach 1.e4 mehrere Seiten Text. Dabei spielte Yogi natürlich 5...Sd7 wie einst Larsen ganz bewusst. Ich habe nicht die Datenbanken bemüht und kenne den aktuellen Theoriestand nicht, aber gemäß dieser Quelle (Seite 3) war Vishys 13.b4 aus Frankfurt sehr unangenehm für die Schwarzen. Ein wenig Theorie dazu hier. Siehe auch Partienteil.

c. r.

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