IX. Dubai Open 2007

Dubai-Tagebuch, Teil 4

24. April 2007: Dubai

Watchout a Bush ahead Wenigstens einmal schaffe ich das Frühstück, welches nichts zu wünschen übrig lässt. Überhaupt ist das "Al Khaleej" Hotel sicher nichts Besonderes, doch exemplarisch für die hiesige Mentalität. Es lebt das Business im positiven Sinne. Stets und überall darf der Gast freundliche Service-Bereitschaft erfahren. An Personal, wenn auch zu gewiss niedrigen Löhnen, wird zugunsten des Kunden, dessen Wohlwollen überhaupt nur das Geschäft erst Imbiss möglich macht, nicht gespart und das rund um die Uhr. Immer darf man sich willkommen umsorgt fühlen. Wünsche werden unaufdringlich fast von den Augen abgelesen. Manchem Gastronomen Westeuropas mag ein Anschauungsbesuch hier anempfohlen sein. In den Bars werden zu den Drinks zumeist auch Schälchen mit Nüssen, Popcorn, Oliven und anderem gereicht. Zu den Speisen, selbst in einfachen Buden, sind Brot und mancherlei Gewürze selbstverständlich, zuweilen sogar ein Gratisdessert. Die Zufriedenheit des Kunden bereichert eben nicht nur in monetärer Hinsicht.
Früchte des Orients Bei Streifzügen durch die Stadt, insbesondere durch Shopping-Tempel wie die "Century Mall", schleicht sich gelegentlich ob des gewaltigen Waren-, Personal- und Platzangebots, gepaart mit zuweilen arg mangelnder Kundschaft, ein unbestimmtes Gefühl des Überflusses ein. Das gilt natürlich erst recht beim Anblick der zahlreichen Prunkbauten. Im Emirat Dubai selbst sprudelt kaum noch Öl. Der Reichtum wird durch Dienstleistungen, Handel und Finanzgeschäfte erwirtschaftet. Die etwa 90 Prozent Bevölkerungsanteil stellenden Gastarbeiter, Putzkolonne überwiegend aus Indien und Pakistan, tragen ihren erheblichen Teil dazu bei und transferieren zugleich das Gros ihrer meist spärlichen Vergütung häufig an ihre Familien in der Heimat, so dass die gesamte Großregion halb Asiens bis tief in den Süden Afrikas von der Boomtown an der Schnittstelle zwischen den Kontinenten profitiert. Es ist das bezaubernde und unangestrengte Nebeneinander eines kunterbunten History of economy Völkergemischs, welches sich hier, vereint im ökonomischen Interesse, friedlich im interkulturellen Austausch, die Dirhams in die Hände gibt. Damit einher lebt auch die Vielfalt der Religionen. Auf den wuseligen Straßen kümmert es niemanden, ob jemand Hindu, Moslem, Christ oder sonst etwas ist. Wer sich fünf Mal pro Tag vom Muezzin zum Salat gerufen fühlt, der betet eben – wer nicht, der nicht. Dabei respektiert jeder die Gepflogenheiten des Anderen. Vielleicht stellt sich die Frage der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften an genau so einem Ort leichter als in einem homogenen Habitat. Natürlich stellt die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft an Arabien sich schon ein erstrebenswerter Zustand dar, ist doch der Mensch grundsätzlich ein zutiefst sozial verankertes Geschöpf. Darüber hinaus liefert jede Religion durch einen mehr oder weniger klaren Verhaltenskodex Orientierung und praktische Lebenshilfe. Das Individuum soll dieses tun und jenes nicht. Verheißung oder Verdammnis. Außerdem vermögen Religionen den spirituellen Neigungen des Homo sapiens entgegen zu kommen. Mindestens die Gebete sind Ausdruck der Kommunikation mit dem Unbeschreiblichen. Islam Viele gute Gründe also für einen Einzelnen, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein. Zumal dann, wenn es sich um eine ausgelobt gute Gemeinschaft, eine im Islam so genannte "Umma" handelt. Einzige Bedingung: Glaube! Glaube jedoch ist nur möglich aufgrund innerer Überzeugung. Anordnen lässt er sich nicht. Und welche irdische Kreatur vermag auszudeuten, welcher Glaube der Richtige für all' die milliarden Seelen sei? Dubai Open: Nationenvielfalt Selbst wenn sich dessen jemand sicher wäre und daher also alle anderen Lehren, so ähnlich sie auch seien, als Irrwege deklarierte, so stünde immer der stets so segensreiche Pfad der Toleranz weit offen, da doch alle diese Wesen im ewigen Wandel nur auf der Suche sind.
"Gestern zerschlug ich meinen Krug mit Wein
In meiner Trunkenheit an einem Stein
Da sprach des Kruges Scherbe: Wie Du bist,
War ich, und wie ich bin, wirst Du einst sein."
(Omar Khayyam).
The city that cares Der alt-persische Zarathustra, letztlich sogar, wenn auch eher widerwillig, Religionsstifter, sinnierte lange vor der Zeitenwende über den Weg zum rechten Leben in einer dualen Welt, wo der Mensch mit jeder seiner freien Entscheidungen und Handlungen Einfluss auf das Weltgeschehen und sich selbst nimmt, voll verantwortlich ist, fehlbar ist und sein Schicksal folglich tragen muss. Sollen Religionen wirklich spalten, das ungeheure Geschenk des Lebens leugnen? Hindern sie, uns als große Familie einer Art zu begreifen, als höchst fragile Existenzen, untrennbar miteinander verwoben, denen nur gemeinsam der Erhalt des Lebens, des Vermächtnisses unbegreiflicher Macht, überhaupt gelingen kann? Kaum zu glauben.

Mc Arabia Es hat über 30°; die ganze Nacht lässt sich bequem im T-Shirt draußen verbringen. In wenigen Wochen schon werden alle so häufig wie möglich Zuflucht in klimatisierten Räumen suchen. Ohne die Erfindung von Klimaanlagen, es gibt selbstredend kaum ein Fahrzeug oder eine Räumlichkeit ohne Ausstattung mit dieser Errungenschaft, wäre die hiesige Bläte nicht vorstellbar. Zumindest wäre sie halbiert, denn alle Aktivitäten beschränkten sich auf das Winterhalbjahr oder die Nachtstunden.
Anastasian vs. Sadvakasov Zeit an das Brett zurückzukehren. Ein junger, eloloser Araber ist mein Gegner. Er behandelt die Eröffnung mäßig und ich erhalte bequem gutes Spiel. Doch ich wähle eine falsche Abwicklung und gewähre ihm so unwiderstehlichen Mattangriff. Null aus drei! Zum Auftakt eine große Rochade dürfte Novum sein. Ein Turnierverlauf à la Moskau zeichnet sich ab, womöglich sogar noch unterirdischer. Und es fehlt ein Master Lü hier, der mir im Rossija immer wieder mal eine Idee von Schach einzuhauchen vermochte, ehe diese dort Nachtblitz zur Frustbewältigung allerdings meistens auch gleich wieder in Wässerchen aller Art ertränkt wurden. Da auch Andi seine Null weiter pflegt verschaffen wir uns Erfolgserlebnisse durch blitzende Fingerübungen. Eine Frustbewältigung per Alkohol entfällt sowieso. Andi lebt wie Brain strikt jenseits jeglichen Nanoquantums und mich lädt das Klima auch nicht unbedingt zu nennenswertem Konsum ein. Ohnehin ist Dubai absolut promillefreie Zone! Lediglich in den Hotelbars darf es Vergorenes sein. Einigermaßen zeitig gegen halb vier Uhr rufen mich die Federn besten Komforts.

Salam aleikum!

Mikly

(Fortsetzung folgt)

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