IX. Dubai Open 2007

Dubai-Tagebuch, Teil 1

Mai 2006: Köln, Barbarossaplatz

Anflugkarte Im "Zarathustra" ist mir als zusätzliche Vorspeise der Artikel von Andreas Albers über das Turnier in Dubai willkommene Prosa.
Wirtin Homeira unterstützt sogleich das aufkommende Interesse am "Persischen Golf", speziell für Dubai und die gegenüberliegende Insel Kish, welche zu Zeiten des Schah nur den Herrschenden vorbehalten war. Schah - Schach - Persien - Emirate ..
Spontan reift das Begehr am nächsten Open teilzunehmen.
Zudem es nach zuletzt Moskau im Februar 2005 mal wieder Zeit für ein "richtiges" Turnier wird und richtig bedeutet neben dem klassischen Runden-Modus natürlich auch eine reizvolle Örtlichkeit.

November 2006: Neu-Isenburg, Gewerbegebiet Ost

Anflugplan auf arabisch Im Büro stehen die Urlaubsplanungen des Folgejahres an. Zwei Wochen wären durchaus übrig. Sonne satt, Boomtown des Orients, ein entspanntes Turnier - an Verlockungen mangelt es wahrlich nicht. Allein, wann findet das nächste Dubai Open statt? Es gibt keinerlei Information darüber!
Keine Ausschreibung, keine Ankündigung, kein Termin, kein Nichts! Die Homepage des Veranstalters "Dubai Chess Club" ist zudem so hoffnungslos veraltet dass für gewöhnlich um die Existenz des Vereins zu fürchten wäre. Also bleibt nur die Hochrechnung aus den Terminen der Vorjahre.

Dezember 2006: Offenbach, Marktplatz

Freiluftschach in Offenbach Bei der FIDE ist der Termin nun veröffentlicht. Die Hochrechnungen stimmten. Doch inzwischen hat die arabische Halbinsel höchst attraktive Konkurrenz erhalten: Die Europameisterschaft in Dresden. Offen und ohne Hotelbindung ausgeschrieben stellt sie eine vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit dar, an einer derart hochklassigen Veranstaltung wenigstens einmal als Spieler zu partizipieren - aus sportlicher Sicht eines Akteurs meiner Kategorie vermutlich ein Highlight für den Rest des Lebens!
Werbung auf arabisch Dann eben beide Turniere, zeitlich nahe beieinander im April gelegen, im Stile eines Haupturlaubs wahrzunehmen zuckt mir kurz durch den Sinn. Doch es wollen schließlich auch noch andere Bedürfnisse befriedigt werden und zudem türmen sich seit der Arbeitsplatzverlagerung nebst Ressourcenverknappung bei gleichzeitiger Aufgabenerweiterung Unmengen Arbeit auf meinem Tisch. Nein, ich werde mich entscheiden müssen bzw. die Gegebenheiten zu gegebener Zeit entscheiden lassen.

Januar 2007

Es sind keinerlei Aktivitäten am Persischen Golf erkennbar. Nach wie vor dümpelt lediglich der Termin auf der FIDE-Seite vor sich hin. Ich schreibe mich für die Europameisterschaft ein.

Februar/März 2007

Olympia '86 Auf der FIDE-Seite wird die Ausschreibung für Dubai veröffentlicht! Mails zwecks Anmeldung und Bestätigung der seitens Veranstalter subventionierten Unterkunft dorthin bleiben unbeantwortet und die angegebene Faxnummer ist ewiglich besetzt. Potenzielle Mitstreiter finden sich ein - Normi für Dresden und neben Andreas auch Dana für Dubai. Keiner von beiden wird seine Ambitionen umsetzen. Normi zieht zurück, just nachdem ihm die Konditionen zugesichert werden und Dana in Hamburg aufgrund des Ehrgeizes des lettischen Schachverbandes im Hinblick auf die sibirische Olympiade 2010. So löst sich zumindest die Füllung des Kaders zur letzten Oberliga-Doppelrunde in Wohlgefallen auf und die Hoffnungen, auf ein echtes Endspiel hinwirken zu können, bleiben genährt.

Anfang April 2007

Open '99 Der Flug ist gebucht, Snezka und die Euro haben es nicht geschafft, noch nicht einmal der wenigstens vorgesehene Besuch Dresdens. Erst durch Andreas' Unterstützung erhalte ich Rückantwort von den Veranstaltern. Also haben sie mich immerhin auf dem Zettel. Neulinge dort haben es schwer, sie müssen sich an Andreas' Augenzwinkern "Inshallah" (Vertrau' auf Gott!) halten - nur wer sich bedarft als unabschrecklich erweist kommt letztlich in den Genuss der Organisation. Das Hotel buche ich mir dennoch lieber selbst. Nein, nicht das "Burj Al Arab". Jenes einzige 7-Sterne-Hotel der Welt gehört dann doch eher zur Kragenweite eines Vishy Anand, der sich dort einst auf seiner Hochzeitsreise einrichtete. Aber gar nicht so einfach aus der Fülle des Angebotes dasjenige aufzufinden, welches alle Kriterien (Preis, Lage, Ausstattung, Anbindung) möglichst optimal abzudecken vermag. Es wird schließlich das "Al Khaleej" inmitten des Bezirks Deira auf der Nordseite des Dubai Creek. Dieser teilt die Stadt säuberlich in zwei Hälften.

19. April 2007 abends: Frankfurt, auf dem Main

Vorgeschmack auf den Dubai Creek Ich schaffe tatsächlich noch genug Arbeit von der Platte zu putzen um Peter's Ruf in das Drachenboot der Frankfurter Kanu-Sportler folgen zu können. Natürlich zwingt mich die inzwischen völlig abhanden gekommene Muskulatur alsbald zu vermehrten Pausen, doch diese wiederum gewähren mir manch' geschweiften Blick auf die Stadtsilhouette vom Wasser aus und ich bedaure, dem Fotoapparat eine schützende Abstinenz vergönnt zu haben: Strahlend streckt sich die Skyline bis ans Ufer – ein leiser Vorgeschmack auf die modernen Paläste am Dubai Creek? Dafür müssen "Brett vor'm Kopp" heute ohne mich blitzen. Nicht jede Einstimmung ist mir vergönnt.

20. April 2007 mittags: Offenbach, am Main

Monitored Es ist soweit, die letzten Teile bügeln, packen, online check-in (alle Fenster schon belegt, aber die letzte Reihe außen mit nur einem Meter Abstand zum WC ist frei), zur Post, zur Bahn. Die S9 verpasse ich dank eines kryptischen Automaten. Also bringt mich die S8 zum Flughafen. Mist, Terminal 2. So lernt man immerhin den Sky-Train kennen. Mit mir kommt auch die Crew an die Emirates-Desks - die Kostüme der Stewardessen sind eine Augenweide und bereiten Vorfreude auf den 6-stündigen Flug. Noch ein wenig Hermes aus dem Duty-Free und schon wird die Boeing 777 geboarded. Aber dann verzögert sich der Start um eine knappe Stunde: Die Beladung des Frachtraumes sei nicht in Ordnung gewesen. Egal. Ob es nun Mitternacht, ein oder zwei Uhr wird, darf keine Rolle spielen - das Hotel soll 24 Stunden besetzt sein.

20. April 2007 abends: Prag, Bacau, Schwarzes Meer, Türkei, Irak, Iran, Persischer Golf

Why ... Das Sitzplatz-TV funktioniert nicht. Egal. Habe ja zu Schreiben. Und zu Lesen. Die Zeitungen aus der Region vermitteln erste Eindrücke. Natürlich behandeln sie vor allem die fundamentalen und politischen Krisen des nahen und mittleren Ostens (Wozu gehört Dubai eigentlich? Einerseits als letzter Zipfel der arabischen Halbinsel noch zum nahen aber andererseits in Winkweite zu Iran und Pakistan irgendwie auch schon zum mittleren Osten). Die jüngsten Anschläge in Bagdad sowie die Politik der USA werden ebenso durchgekaut wie die neue Friedensinitiative der Araber an Israel. Auffällig, dass aus der westlichen Welt vornehmlich Alltagsmeldungen scheinbar verlotterter Moral und damit in Verbindung stehender Kriminalität jedweder Art heraus gepickt sind. Nimmt man den Artikel "Why Islam satisfies your intellect and soul" der "Khaleej Times" hinzu, dann spätestens wird klar, dass dieser Wind mit der Sonne kommt und wie anhalte nd nervös die wieder aufgekommenen Religionsdebatten sind.
Bauboom in Dubai Ansonsten ist ein gewisser britischer Einfluss unverkennbar - leicht an den bevorzugt erwähnten Sportarten zu identifizieren. 1968 kündigte das Vereinigte Königreich die Aufgabe seiner Funktion als Schutzmacht an. So schnell verblassen manche übernommenen Werte nicht.
Neben Schreiben und Lesen gibt es auch inzwischen mehr als gewohntes Essen - Lamm mit Safranreis. Dafür mangelt es an Nachschub für mein "electronical device". Das Notebook entschlummert saftlos. Zeit noch einmal das von Sheida angefertigte Schriftzeichentableau zu studieren, währenddessen der Pilot eine halbe Stunde der Verspätung aufholt.

21. April 2007: Dubai

Passkontrolle Während des Beinevertretens im Flieger komme ich mit Sarkis ins Gespräch. Er sei Einwohner von Dubai. Die lauschende Stewardess glaubt ihm nicht und hält ihn für einen Türken. Später, als er mich mit seinem Freund und Schwager in die Diskothek des "Sheraton Deira" (Hauptsprache dort: Russisch!) mitnimmt, erfahre ich, dass er Armenier aus dem Libanon ist und vor fünf Jahren Dubaier wurde, wo er sein Geld als Juwelier verdient. Er war geschäftlich in Basel und hatte auf dem Rückweg noch einen Freund in Frankfurt besucht. Sein Ursprungsland Armenien hat er noch nie gesehen. Vermutlich keine ungewöhnliche Geschichte in Dubai, wo die "Einheimischen" nur noch etwa zehn Prozent der Bevölkerung stellen und von wo eine scheinbar unwiderstehliche Anziehungskraft im Sinne einer Art Goldrausches ausgeht. Begründer der modernen Emirate war der 2004 verstorbene Scheich Zayed bin Sultan al Nahayn. Als der 1966 die Herrschaft übernahm lag die Region darnieder. Doch er verfolgte beharrlich das Ziel der Vereinigung der Emirate und stellte gleichzeitig die Einnahmen aus den Ölquellen sicher. Der jetzige Emir von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum, vollzieht Nächtlicher Balkonblick auf den Creek nun ungebremst und visionär den nächsten Schritt. Dubai hat sich inzwischen längst vom Öl losgesagt und entwickelt sich zu einer Drehscheibe internationaler Wirtschaft ersten Ranges. Spektakulär geht es dabei zu wie nirgendwo sonst. Ständig schießen die unglaublichsten Projekte, die aberwitzigsten Architekturen und neue Weltrekorde sprichwörtlich aus dem Boden. Die 1,2 Millionen Einwohner sowie die abermillionen jährlichen Besucher sind Teil und Zeuge einer beeindruckenden Wachstumsmaschine inklusive aller Absurditäten. War schon das "Burj Al Arab" ein deutlich sichtbarer Fingerzeig, so werden unter vielem anderen Inseln ins Meer gebaut, die zusammen die Gestalt einer Weltkarte aufweisen, entsteht die größte Shopping-Mall der Welt u.a. mit einer schon im Betrieb befindlichen Ski-Piste (!; eine noch größere Wintersporthalle in einem anderen Einkaufszentrum ist in Planung), der größte Flughafen und natürlich mit dem 900 Meter "Al Burj" das höchste Gebäude der Welt. Nicht nur optischen Orient à la carte bieten auch die vielen übrigen mondänen Paläste. Das Leben in Superlativen. Und die fangen schon gleich nach der Landung an - vor 40 Schaltern stehen je 50 Meter Mensch bei der Passkontrolle mitten in der Nacht.
Mikly saftet Das Frühstück verschlafe ich, besorge mir einen Adapter für das ausgehungerte Werkzeug, beehre beim ersten kleinen Rundgang den nächsten Imbiss, wo neben fester Nahrung Unmengen verschiedener Säfte zur Auswahl stehen und kann hernach Riker nur empfehlen doch bei nächster Gelegenheit mal einen Wassermelonen- oder Guavensaft zu bestellen!
Die nächste Herausforderung half mir so gegen 18 Uhr Ortszeit aus den Federn: Das Auffinden des Schachklubs! Außer einer P.O.-Nummer gibt es keinen Hinweis auf die Lage des Klubs.
Also wird die Telefonnummer zwecks Erfragung einer Wegbeschreibung konsultiert mit dem Ergebnis Nähe "Century Mall" und Bowling Center in der Al Mamzar Gegend. So geht es auch.
Mangels Busverbindungen muss ich mir irgendwo ein Taxi von der Straße fangen, was nach etwa zwanzig Minuten auch gelingt. Zwischendurch öffnete ich die Tür eines Taxis vermeintlich ohne Fahrgast. Ordentlich verblüfft murmele ich eine Entschuldigung und schlage sie wieder zu, als ich der völlig in Schwarz gehüllten Frau auf dem Rücksitz gewahr werde.
Sheikh Im Dubai Chess & Culture Club angekommen staune ich nicht schlecht - ein großes und nobel wirkendes Haus mit Eingangshalle, Empfang, Cafeteria inklusive einem Kicker und I-Café sowie diverse Büroräume mit Namens- und Funktionsschildern! Als ich mein Anliegen erkläre, nämlich mich meiner Registrierung vergewissern zu wollen, lautet die erste Frage nach .. meiner Elo-Zahl! Darauf winkt der Empfangschef nur ab, es wäre kein Registrierer mehr da, um mich direkt an einen just erscheinenden weiteren Mann zu verweisen, der mich sofort als erstes nach .. meiner Elo-Zahl fragt, dann bedauernd mich auf morgen vertröstet um mich direkt in die erste Etage zu winken und in eines der Büros zu führen. Der dort hinter seinem Schreibtisch sitzende Mann fragt mich als erstes direkt nach .. meiner Elo-Zahl! Ich solle doch morgen um 10 wiederkommen, da gäbe es die Einführung. Ich verweise darauf dass in der Ausschreibung etwas von Registrierung heute, wenngleich ohne Zeitangabe, stand. Das gälte nur für Teilnehmer aus bestimmten Na tionen und er zeigt mir lange Listen.
Sackweise bunt Schließlich bittet er mich kurz zu warten und zurückkehrend versichert er mir meine Registrierung. Aha. Na dann bis morgen.
In der Cafeteria wird weiter fleißig gekickert, die beiden Internet-Plätze sind besetzt. Ich frage nach weiteren Möglichkeiten und der Wirt lacht freundlich, ja, oben gäbe es noch mehr, der Mann am Empfang würde mich dorthin führen. Doch dieser wiederum ist ob meines Anliegens erstaunt - nein, das wären doch die Büros.

Schachplakat Ich ziehe ab und streife zum Abschluss meines Ausflugs noch durch die "Century Mall". Sie ist gar nicht so riesig, hat aber ein monströses und lautstarkes Spielareal für die Kleinen und einen gewaltigen Carrefour-Supermarkt, worin es fast alles in Hülle und Fülle gibt und davon reichlich. Von einer beeindruckenden Frischfischauswahl bis hin zur Mozarella aus Uruguay. Nur ein anständiges Schwarzbrot suche ich gar nicht erst vergeblich.
Draußen fange ich mir nach einer Viertelstunde wieder eines der günstigen Taxen und lasse mich irgendwo am Creek entsorgen, ich will noch ein wenig laufen. Der erstbeste Bombay-Frisör erhält deutsche Kundschaft - 3 Euro und dafür noch ordentlich gepudert.
Dann durch das Souk-Viertel der Deira-Seite. Endlos ziehen sich die Straßen, Wege und Gassen der größtenteils schon geschlossenen Basare. Aber die wenigen geöffneten beeindrucken schon mit ihrer Warenvielfalt und -qualität und alles zu durchaus überschaubaren Preisen. Gut, dass ich meinen Wagen nicht dabei habe ..

Salam aleikum!

Mikly

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