Harmonie Schaaktoernooi Groningen 2006

(Die per Diagramm referenzierten Partien können hier nachgespielt werden)

Am Abend des 22.12 kam ich in Groningen an. Nach dem Einchecken im Hotel, wo ich das Doppelzimmer mit dem Österreicher Markus Ragger belegte, war ich pünktlich um 20.00 im Cafe Clapper, wo die Eröffnung stattfand. Nach einer Begrüßung und einem Bankett loste man die Startnummern aus. Wenn man es richtig betrachtet, war bereits das Bankett für die Auslosung wichtig. Denn wie man beim Angucken der Fotos auf der Turnierhomepage sieht, sehen die meisten Teilnehmer nach unten. Hier der Grund dafür:
Die Auslosung sollte nämlich so verlaufen:
1. jeder Spieler stellt sich vor dem Essen auf die Waage
2. und auch nach dem Essen
Der Sieger des Esswettbewerbs darf sich ein T-Shirt aus 10 aussuchen – in jedem ist eine Startnummer versteckt. Ich war natürlich der letzte und mir blieb so keine Wahl – die Startnummer 7. Die bedeutete 5x Schwarz und eine Doppelrunde mit beiden IMs, aber trotzdem konnte ich mich nicht beklagen.

Da es im Schachcafe (vor einem Jahr pünktlich zum Turnierbeginn eröffnet) ziemlich voll war, schaute ich mir nach der Eröffnung lieber die Stadt an. Groningen ist eine hübsche alte Stadt, am zentralen Platz wurde eine Eisbahn direkt vorm Rathaus aufgebaut, an der ich paar Minuten stehen blieb. Konkurrenz für russische Eiskunstläufer wird in den nächsten Jahren nicht aus Holland kommen.
Pruijssers - Degtiarev: Effi lässt das Matt 41...Tc8 aus Aber für mich war es nicht schlecht ein bisschen frische Luft zu schnappen, bevor man sich ins Turnier stürzte.

Die Sizi-Vorbereitung in der ersten Runde klappt – der Gegner hat sich auf Spanish vorbereitet – trotzdem weiß er Bescheid, verbessert im 24. Zug seine eigene Partie vom August gegen Van der Wiel (die ich nicht kannte), danach entsteht eine Stellung mit dynamischem Ausgleich.

Effi - Bitalzadeh: mit 43...e5 rennt Schwarz einem Matt-Phantom nach und muss später Dauerschach geben In der zweiten Runde läuft die Eröffnung eigentlich ganz gut für mich, aber irgendwie verbrauche ich sehr viel Zeit und finde keinen richtigen Plan, sodass ich es dem Gegner ziemlich leicht mache, aber aus irgendeinem Grund kann er die Partie nicht zum logischen Ende führen.

Den 25.12 verbringe ich in Amsterdam, ich plane ein breites Kulturprogramm, weil alle Museen offen sind, aber die Tourist-Offices sind zu, und nur da kann man die Amsterdam-Card kaufen, mit der der Eintritt deutlich billiger wird. Also Planänderung – Stadtbesichtigung + Häuser von Rembrandt und Anne Frank – sollen erstmal genügen, zumal ich auf dem Weg in die Hauptstadt eine Stunde Verspätung habe.

Am nächsten Tag spiele ich gegen den belgischen FM Geirnaert, nachdem er überraschend für mich 1.d4 macht, weiche ich früh ab und bringe ihn out of book. Er kennt sich nicht aus und steht bald deutlich schlechter.
Wenig später vergebe ich den Gewinn, die Stellung verkompliziert sich sehr und beide haben nur noch wenig Zeit. Im weiteren Verlauf haben beide Seiten den Sieg ausgelassen, ich mache dann den letzten Fehler, als ich im remisen Endspiel noch überlege, ob man noch irgendwelche Tricks hat und ZÜ mache.

Geirnaert - Degtiarev Geirnaert - Degtiarev Geirnaert - Degtiarev
Mit 23...Sb8 plant Effi die Überführung nach a5 und ermöglicht später c5-c4 Effi verpasst es mit 32...Db5 den Bb2 zu behaupten Effi überschreitet nach dem gegnerischen 104.Sf4 die Zeit!

Eigentlich wollte ich +1 nach 3 Runden haben, so musste ich mich mit -1 auf die erste Doppelrunde vorbereiten. Da die Doppelrunde früh am Morgen begann, musste der größte Teil der Vorbereitung am Abend erledigt werden. So saßen Markus und ich uns gegenüber am Tisch und bereiteten uns aufeinander vor. Markus bevorzugte es, etwa um 1.00 ins Bett zu gehen und stand dafür dann am Morgen früher auf. Dabei vernachlässigte er aber seine Nachmittagspartie gegen Sipke Ernst komplett. Eine Stunde später war ich auch fertig, da ich vermutete, dass meine Vormittagspartie zu einer langen Verteidigung wird, bereitete ich mich auch auf die fünfte Runde vor.
Ich hatte aber das meiste für Markus schon im Zug nach Amsterdam vor 2 Tagen erledigt, als ich mir im SOS eine seltene schwarze Fortsetzung im Sveshnikov angeguckt hatte. Es kam so auch aufs Brett, und mein Plan ist aufgegangen, nach langer Verteidigung konnte ich das schlechtere Endspiel halten.
Angreifen wollte ich in der Nachmittagsrunde mit Weiß gegen den englischen IM Craig Hanley, der mit seiner ganzen Familie da war. Sein Bruder ist übrigens Dritter im Open geworden. Craig überraschte mich zwar, aber das kam mir eher entgegen, ich kannte die Variante gut und eigentlich ist sie meiner Meinung nach nicht wirklich empfehlenswert für Schwarz, aber ich verbrauchte trotzdem viel Zeit, weil ich eine Neuerung des Engländers ein bisschen befürchtete.
Es passierte aber nichts und er stand schlechter, dann opferte er einen Bauern und versuchte sich zu befreien, was ihm nicht wirklich gelang. Nach dem Abtausch hatte ich ein Endspiel mit einem Mehrbauern, das für Schwarz deutlich einfacher zu spielen war. Ich kam in Zeitnot nicht klar, die Stellung wurde kompliziert, als beide Seiten gefährlichen Freibauern bekamen, am Ende musste ich meinen Läufer geben, und hatte Glück, dass mein Gegner ein gewonnenes T+L-Endspiel gegen T nicht kannte und auch keinen Weg fand. So endete die Partie nach 50 Zügen und insgesamt 124 Remis. Das war meine zweite Partie mit über 100 Zügen innerhalb von 2 Tagen.

Michielsen - Degtiarev: Weiß griff hier mit 39.h5 als Erster fehl Nun brauchte ich 3,5 aus 4 für die Norm, was noch möglich war, weil ich gegen die letzten drei spielen musste und Weiß gegen Sipke Ernst hatte. Noch vor dem Turnier wollte ich mit der Berliner Mauer gegen meinen nächsten Gegner auf Sieg spielen und es war, denke ich, die richtige Entscheidung. Aber wie so oft in diesem Turnier hatte ich in einer kritischen Stellung zu wenig Zeit und ein sehr interessantes Turmendspiel, aus dem sich in einigen Varianten bestimmt Studien konstruieren lassen, endete mit Remis im Damenendspiel.

Diagramm

Auch in der nächsten Partie gegen FM Van Beek hatte ich eine einfache Gewinnmöglichkeit ausgelassen, die Partie danach gegen den Tabellenletzten war nicht so interessant. Ich stand am Anfang schlechter, aber Twan Burg war einfach nur schlecht drauf, am Ende gewann ich durch ein unnötiges Läuferopfer. Interessant bezüglich Twan war, dass es eine Regelung gibt, dass ein Spieler mit 0 Punkten aus dem Turnier rausgenommen wird. Wenn Twan also nicht in der fünften Runde den halben Punkt gegen Ali gekriegt hätte, wäre die Erfüllung der Normen gar nicht möglich gewesen. Vielleicht war das der Grund, warum Ali ihm Remis bot. Denn er stand zwar schlechter, aber das taten viele gegen Twan und haben ihre Partien trotzdem gewonnen. Jedenfalls fehlte Ali am Ende der halbe Punkt für seine dritte Norm.

In der letzten Partie gegen Sipke war keiner an einem stundenlangem Kampf interessiert, wobei es eine Eröffnung in seinem Repertoire gibt, die ich wahrscheinlich weiter gespielt hätte. Nach einem Kurzremis ging ich noch einmal in die Stadt, um Fotos bei Tageslicht zu machen – denn bisher hatte ich nur abends die Zeit gehabt. Um 16.30 begann die Siegerehrung, danach hatte ich beim Essen ein interessantes Gespräch mit Alexander Van Beek und Steven Geirnaert. Alexander hat unter anderem von seiner Teilnahme an der Studentenweltmeisterschaft in Nigeria(!) erzählt, an der einige chinesiche GMs und gleichzeitig Einheimische teilnahmen, die das Spiel erst eine Woche vor der Meisterschaft gelernt hatten. Danach verabschiedeten wir uns alle und da einige der Teilnehmer an der EM in Dresden teilnehmen wollten, werde ich sie bestimmt bald wieder sehen.

Am letzten Abend gehe ich zeitig ins Bett, weil ich am 31.12 früh aufstehe, um noch einen Tag in Amsterdam zu verbringen. Die Abende davor gab es unter anderem Blitzturnier und Pokerrunden im Schachcafe.

Auf dem Rückweg aus Amsterdam wurde in Hannover beim Umsteigen angekündigt, der Zug nach Magdeburg habe 15 Minuten Verspätung, fünf Minuten später hieß es 40 Minuten Verspätung, sodass ich langsam Angst hatte, das neue Jahr im Zug zu beginnen. Aber zum Glück kam mein IC nach 20 Minuten und 20 Minuten vor Mitternacht war ich auch zu Hause. Ziemlich müde. Aber es war ein sehr schönes Erlebnis, Rundenturniere sind schon etwas Besonderes. Das Turnier und auch das Open, soweit ich es mitgekriegt habe, sind hervorragend organisiert. An die Bedenkzeit muss man sich gewöhnen, denn ich kann mich nicht erinnern, so viele Fragezeichen wie in der Partie gegen Geirnaert schon einmal vergeben zu haben. Und ich habe schon einige Zeitnotschlachten erlebt, auch mit Dameneinstellern.

Für mich persönlich ist das Turnier zwar nicht so gut gelaufen, und dass ich 7 Partien hintereinander nicht gewinnen kann, ist schon selten, aber na ja. Eine Menge gewonnene Stellungen, aber auch einige verlorene. Am Ende sind 50% gerecht, denn ich war nicht in Form, einige Gewinnwege waren wirklich einfach zu sehen. Dafür habe ich die vielleicht spannendsten und auf jeden Fall die längsten Partien gehabt.
Und da wir jetzt beim Stichwort Länge sind, höre ich jetzt auf. Ich wollte anfangs eher nichts Großes, sondern nur ein paar Randbemerkungen schreiben.

Effi

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