Tief im Osten

Moskau-Tagebuch, Teil 5

Im usbekischen Restaurant "Azuja" Am Mittwoch (Jens alias Master Lü alias Otze alias Uschi) und Donnerstag (Mikly) standen Doppelrunden an, was unseren übrigen Tatendrang weitgehend in die Abstellkammer sinken ließ. Aber auch das Hotel und die nähere Umgebung wollten erst einmal erobert werden. Unmittelbar an unserer Heimatmetrostation "Kitaij Gorod" fanden wir das usbekische Restaurant "Azuja", welches offenbar kurios einfach den Namen des nächstens in die Moskwa fließenden Flüßchens "Jauza" umdrehte. Nach den Leckereien ergab sich das Problem, dass wir nicht zahlen konnten, denn Jens' Annahme, überall würden auch Dollars Schneemänner am Arbat akzeptiert, ging in einer Wette an mich verloren. Für viele ist die Überprüfung der Scheine auf Echtheit eben ein Problem, weswegen sich die Akzeptanz von Devisen auf nur wenige beschränkt. So blieb ich als Pfand zurück während Jens einen Automaten zum Geld kaufen suchen ging, was mir eine kleine sprachbeschränkte Konversation mit dem Chef des Hauses bescherte. Deutschland, aha, dorthin hatte er in den 50er Jahren mal eine Brieffreundschaft, zu Stefan Müller in Leipzig - ob ich den kennen würde. Äh, nö, leider nicht .. Iswinitje.
Sugar fridays im Kult Anderntags nahmen wir Dennis & Jakob nebst genügend Roubles dorthin mit. Die späteren Streifzüge trennten unsere Wege. Während die Dänen in einem Klub Dänen trafen und einige Abenteuer aus dem "Karma" mitnahmen, wanderten wir zum Klub "Kult". Vor dem Einlass in das Kellergewölbe galt es noch den obligatorischen Türsteher zu überwinden und dann erschloss sich ein gemütliches Refugium à la Magdeburger "Bunker", denn Spiele kursierten auf vielen Tischen. Als wir um ein Backgammon und Bier bitten, wird uns beschieden, ein Spiel gäbe es nur bei Bestellung eines Tees. Also Business lunch einen Tee. Der Tee kommt irgendwann (sehr lecker - die Teenation der Welt schlechthin ist nicht England, sondern Russland!), aber sonst nichts. Nun, das längere Warten auf Piwo wird durch Musik von den Vinylplattentellern mehr als versüßt, beschallen uns doch feinste Klänge des Funks, Souls und Rocks aus vergangenen Dekaden und der DJ zeigt sich überaus beglückt über unsere Anerkennung. Unbespielt halten wir uns später einmal mehr mit Mitternachtsblitz irgendwo im Rossija schadlos.
Faces Einmal mehr das Rossija. Als ich es das erste Mal von außen sah, begrüßte ich spontan und ausdrücklich die Pläne zum Abriss. Doch nach einigen Tagen Vertrautheit mit dem Innenleben mischt sich nun mehr als Bedauern über das mögliche Ende bei, denn die Atmosphäre bietet eine klassische Heimeligkeit, die unabwendbar dem Aussterben geweiht ist. Das Rossija-Hotel befindet sich in Familienbesitz. Jede Bar, jedes Café, jedes Geschäft darin ist an irgendeinen Zweig des Familienclans verpachtet. In einem Vertrag mit der Stadt Moskau hat sich der Clan verpflichtet, nach dem Abriss, der nunmehr für Herbst 2006 vorgesehen ist, auf dem Gelände einerseits Hotels verschiedener Kategorien zu errichten und andererseits aber auch die kleinen Turandot altstädtischen Gassen wieder herzurichten, die sich einst hier wandten! Sollte das gelingen wäre ein kleiner Trost gegeben, wenn auch zu befürchten steht, dass dieser dann kaum noch erschwinglich sein wird. Am Freitag nimmt uns ein anderes Lokal, noch unmittelbar vor der irrtümlich chinesischen Mauer als vorletzte Gäste auf. Das Personal ist noch beschwingt von den Hochzeitsgesellschaften des Abends. Kurz darauf nehmen am Nachbartisch Ponomarjov und Ivanchuk (der wenige Stunden zuvor mit der Niederlage gegen Kharlov den möglichen Turniersieg einbüßte) Platz, während wir unermüdlich die Partien des Tages auseinandernehmen. Ihnen entgehen die Reste des schmackhaften Büffets und nur Ivanchuk riskiert beim Gehen einen flüchtigen Blick auf die aktuelle Stellung.

Chilling out Wochenende. Erstmals lassen sich ein paar Sonnenstrahlen blicken. Streifzüge entlang der Schlagader Twerskaja offerieren "Moskwa Knige" und das feudale Kaufhaus "Jelisejew Gastronom", dessen feines Interieur und Delikatessen aller Art einen Besuch unbedingt empfehlenswert machen. Ira kommt später mit Misha und Viktor. Museum. Als ich vom Ziel "Museum der modernen Künste" und von "Computern" höre, stöhne ich trotz der sicher gut gemeinten Idee auf. Doch es wird recht lustig. Den ersten Spaß bereiten die Braingames, bei dem zwei "Kontrahenten" versuchen allein durch Hirnpassivität Braingame den Ball in das gegnerische Zielfeld zu schieben. Wer von beiden entspannter ist, hat Erfolg. Neben einigen netten Animationen und Applikationen verbringen wir die meiste Zeit in einer Art Chillout-Room, wo zu sphärischen Klängen physiognome Metamorphosen plastiziert werden. Den Abschluss bildet eine Gemäldegalerie. "Alice in Wonderland" gefällt mir, doch der Preis von 12.000 Dollar sprengt leider um Haaresbreite mein Budget. Die Galeristin Anna ertappt mein Englisch und bittet um Mithilfe bei der Übersetzung eines russischen Textes, der an potenzielle Kunden im Ausland gehen soll. Als das Museum Anna, Mikly schließt, lässt sie ihren mit unserem Aufbruch zusammenfallen um dankbar anzubieten uns mit ihrem Wagen zu den jeweiligen Zielorten zu fahren, wodurch ich flugs wieder im Rossija bin und Ira gar einen Lift nach Zelenograd erhält, wo auch Anna wohnt. Weite Reste der Nacht versinken in Bierfluten.
Am Sonntag will ich endlich einen Markt besuchen. Dennis & Jakob entdecken die Metro und begleiten uns zum Ismaijlowskij Park. Aus der Station heraus orientieren wir uns im allgemeinen Treiben an der feinen Strömung abwandernder Plastiktüten, stapfen offenbar antizyklisch auf das Marktareal des Parks zu und dringen allmählich von den äußeren Ständereihen gegen einen Eintritt von 30 Cents in die innere Alice in wonderland Holzbebauung vor. Dort zieht uns magisch eine Grillphalanx an. Herrlich üppige Spieße aller Art locken. Wir ziehen uns in die Hütte zurück, wo es warm ist und laben uns, natürlich biergespült, an der ersten festen Nahrung eines jeden seit 48 Stunden. Mit inniger naturalistischer Befriedigung geht es dann zum Handeln, was bei CDs und DVDs (auch aufgrund der offensichtlichen Vorliebe vieler Moskauer für den Soundtrack von "Kill Bill" nehme ich sie mit) angesichts des Preisniveaus unnötig erscheint und in Sachen Kleidung zuweilen auf enge Grenzen stößt. Letztlich aber tragen alle ein angemessenes Päckchen für den zyklischen Rückstrom.
Backgammon in der Izmailowskaja Der Montag verläuft unspektakulär auf den gewohnten Wegen. An der Twerskaja finden wir ein gutes Büffet. Keine Selbstverständlichkeit. In einer Seitenstraße des "Roten Platzes" konnte ein Sushi-Restaurant aufgrund zu vieler Sättigungsbeilagen die Hoffnungen nur teilweise erfüllen. Dafür immer wieder Entdeckungen wie das "Golem" im pittoresken Viertel. Dort stehen im Hinterhof richtige Jurten und Musik, wechselhaftes Ambiente und Publikum zeugen von Freigeist. Spät zurück an der Bar hoffen wir auf Dennis & Jakob zu treffen, doch die Girls machen uns klar, dass es die beiden in das hoteleigene Schachvielfalt in der Izmailowskaja "Blue Diamond" Nachtlokal verschlagen hat. Bis dahin hatten wir die steten Animationen in jenem Trakt immer abschlägig beschieden und so dauert es, bis wir uns dazu durchringen. Tief im Keller des Hotels öffnet sich der schummrige Halbkreis um die bestangte Fläche. Doch Dennis & Jakob waren bereits weitergezogen. Wir sind in der Montagslethargie fast die einzigen Gäste was uns mehr Aufmerksamkeit als lieb zuteil werden lässt. Gegen 4 Uhr war das Programm zum zweiten Mal an uns vorübergezogen und es schlichen sich die Wünsche nach einer erfolgreichen letzten Runde ein und wir gingen, jedoch nicht ohne um einen Drink zu viel geneppt zu werden, nachdem die Forderung ursprünglich noch deutlich höher war und einige Verhandlungen nötig wurden um mit erträglicher Einbuße davon zu kommen.
Metro ist Kult Der wenige Schlaf hat nur Jens nicht geschadet, der gegen Viktoria ein sauberes Cochrane-Gambit zu zelebrieren verstand, während ich mich gegen Nina aus dem Iran geschwind selbst übertölpelte. Dumm daran war mein Irrtum, auch sie hätte, gemäß der Veranstalterliste, keine Elozahl. So erwischten mich dann doch noch ärgerliche Ratingverluste in einem Turnier, welches ich schon frühzeitig als reines Vergnügen abgehakt hatte. Diese Nachricht erreichte mich allerdings erst in Deutschland, als Jens mich nach seiner Landung informierte. Zu meinem letzten Abend (Jens flog im Standardprogramm ja einen Tag später) schauten Ira und Misha nochmal vorbei. Der Austausch kleiner Feuerwerk an der Moskwa Geschenke rundete ein rundum angenehmes Wiedersehen auf nette Weise ab. Wieder blieben wir lange an der Bar hängen, bis für mich klar wurde dass mir kein Schlaf sinnvoll würde vergönnt sein, denn mein Taxi war für 5:30 Uhr einbestellt und so musste ich ab 2 Uhr die Nacht allein überbrücken, was natürlich am besten bei Nastya im Internet-Café gelang, wodurch u.a. der 3. Teil entstand. Dann mit etwas Wehmut gepackt und durch das nachtschlafene Moskau auf zum Teil 10-spurigen Straßen gen Flughafen. Durch die Eingangstür der Abflughalle und direkt in die erste von insgesamt vier Sicherheitsschleusen. An einem Durchgang werde ich nach Devisen gefragt und laviere mich scheinbar sprachunkenntlich vorbei. Ein Kaffee wäre jetzt nicht Spontanes Feuerwerk an der Moskwa schlecht, doch fünf Dollar für einen Instant-Capuccino sind mir definitiv zu viel. Dann wenigstens endlich die Ansichtskarten notdürftig beschrieben, allerdings keinen Briefkasten gefunden. Meine diversen Umfragen enden sämtlich mit mürrischer Abschlägigkeit bis eine junge Dame an der Kasse eines Duty-Free-Shops sich bereit erklärt, die Karten für mich einzuwerfen. Wenn sie jemals ankommen sollten, stünde das für die überaus freundliche Seite der Mentalität an der Moskwa, wenn nicht dann für die eher fatalistischen Neigungen.

Der Flieger zerquetscht mir beinahe die Gehörmembrane, ehe erneut Ferdi einspringt und mich mit kurzer Kaffeepause zur Arbeit ins Büro bringt. Am Abend fiel das Auspacken ebenso aus, wie sich die kurzen Nächte verabschiedeten. Retourné.

Kaas Heute ist es zwei Wochen her, dass die elf Tage von Moskau mit der Landung in Düsseldorf endeten. Was ist geblieben von dem Besuch des tiefen Ostens, den reichhaltigen und vielfältigen Eindrücken? Zunächst einmal eine innere Zufriedenheit, die Jens gestern Abend wie folgt beschrieb während er neugierig beäugte, wie ich die Bierspeise beim Russen ("Hotelux") in Köln-Deutz zu Paste stampfte: "Seit Dezember hat er sich krank gefühlt bzw. kränkelte vor sich hin. Und nun geht es ihm wieder richtig gut! Karascho!". Da wir gemeinsam vorwiegend an psychische Ursachen für die meisten Befindlichkeiten des Corpus glauben, eine ziemlich deutliche Aussage.
Mikly genießt die Gastfreundschaft bei Chugunovs Vor allem die Menschen, denen wir begegnen durften, trugen wesentlich zum hoch erfreulichen Resümee bei. Zunächst natürlich die Fortsetzung des ansonsten bis dato via Mails geführten Kontaktes zu den ehemaligen Mitfahrerinnen Irina & Valeria. Leras Familie verwirklichte den Begriff der Gastfreundschaft in Reinform, indem sie mich über das erste Wochenende in ihrer relativ kleinen Wohnung (48qm) aufnahm und rührende Aufmerksamkeit zuteil werden ließ. So lieh mir unter vielem anderen Valerij seine Handschuhe gegen den Frost von Zelenograd und zum Abschied verhalf mir die mütterliche Wundermedizin noch kurzerhand bei der erfolgreichen Bekämpfung einer aufziehenden Grippe.
Irina, Valeria Irina ließ ihren musealen Neigungen freien Lauf, was nicht nur wesentliche Beiträge zur kulturellen Empfängnis lieferte. Die Fürsorge beider spricht schon daraus Bände, als sie sich stets auch immer um den Erhalt meiner Finanzen bekümmerten. Beim letzten Treffen hatten Ira und Misha eine gebrannte CD mit allen Fotos und Filmen für mich und Irinas Matrijoshka ziert nun das Erkersche Wohnzimmer auf exemplarisch ungewohnte Art. Misha war bei allen Treffen in der City dabei und ist so zu einem sehr sympathischen Getreuen geworden. Die "tiefen Seelen" von Ljosha und Victor waren jederzeit ahnbar und verankerten nachhaltig wertvolle Ansätze für weitreichende Reflektionen.
Dennis, Jakob Aus einer qualmenden Plauderei mit meinem gnädigen Gegner aus Runde 2 Dennis, dem künftigen Premierminister von Dänemark, hatte sich zu ihm und seinem Kumpel Jakob, dessen Job die Ungefährlichkeit eines anderen Menschen ist, eine sehr erfreuliche und stimmige dänisch-deutsche Allianz entwickelt. Alle Aktivitäten mit den beiden waren von angenehmer Unkompliziertheit, locker und doch nicht oberflächlich. Der Wunsch zur Beibehaltung des Kontaktes und zum Wiedersehen ist fest installiert und wäre jederzeit mit Vorfreude angereichert.
Nastyas Desktop Die Stadtrundfahrt mit den Burgern war eine feine Sache und auch dieser Kontakt gestaltete sich nett, wenn auch ansonsten die Gruppenstärken natürliche Wege fanden, was dem keinerlei Abbruch tat. Und da war noch unmittelbar über dem C-Turnier-/Bar-/Internet-Areal Vera, die uns nicht nur manches Mal an der Bar per Übersetzung zu minimalen Konversationen verhalf, sondern mir auch noch zu einem gelungenen Transfer zum Flughafen. Spassiba! Gleich daneben das Internet-Café des Rossija, wo mir Nastya mit ihrer aufgeschlossen-fröhlichmüden Art zu so mancher Tages- und Nachtzeit (rund um die Uhr besetzt!) den Aufenthalt am Computer versüßte und fast den exorbitanten Preis (9 Euro pro Stunde!, allerdings mit unabdingbarer freier Nutzung aller USB-Ports) vergessen machte. Spassiba!
An der Bar waren es Sash & Julia, die ebenfalls in Tag- und Nachtschichten uns gerne dort verweilen ließen. Niemand sonst zuvor hat mir wohl solche Mengen Bier in so kurzer Zeit ausgeschenkt - meine übliche Quartalsmenge ging da binnen einer Woche über den Tresen ..

Eisiges Moskau? Neben diesen Menschen heftete sich auch die Stadt selbst mit ihren mehr oder weniger flüchtigen Impressionen in die Brust. Müßig über die teilweise sehr erstaunlichen bauwerklichen Hervorbringungen zu schreiben. Kaum vorstellbar ist mir unter anderem immer noch, wie es gelingen konnte z.B. in der Twerskaja ganze Häuser um zehn Meter zu versetzen um dem zunehmenden Straßenverkehr seinen Platz einzuräumen. Ganz abgesehen davon wie löblich hier dem Versuch zum Erhalt Vorzug vor dem sicher einfacheren und gängigeren Mittel des Abrisses und Neubaus gegeben wurde. Eigenartigerweise sind mitentscheidende Monumente zu Zeiten despotischer und kaum gern erinnerter Herrscher entstanden (und verschwunden), wie die Basilius unter Iwan, die wunderbaren "sieben Schwestern" und die erstaunliche Metro unter Stalin. Aber Politik und die Geschichte dieses Volkes sind viel eingehendere Betrachtungen wert, als ich sie hier auch nur ansatzweise zu leisten vermag.

Berühmt: Maroschenoje Vor dem Hinflug streiften mir manches Mal Gedanken an unser Ehrenmitglied Heinz Liebert durch den Kopf, wie er sich damals gefühlt haben muss bei seiner Reise in die Innere Mongolei, in eine fremde Welt, von wo er als "Löwe von Ulan Bator" mit beachtlichen sportlichen Triumphen zurückkehrte. Nun ist meine Reise mit der seinen kaum wirklich vergleichbar, doch gewisse Spurenelemente bleiben imaginär erhalten. Der "Sport" muss dabei außen vor bleiben.
Nächtliches Schneeschaufeln Hineingebohrt in das Bewußtsein haben sich die mannigfaltigen Ambivalenzen, die sich, höchst unterschiedlich begründet, doch wie ein roter Faden durch meine Wahrnehmung zogen. Da sind einmal die vorsichtigen, fast ängstlichen Versuche zur Öffnung des Landes und der Märkte, stilistisch gepaart mit den Restriktionen eines nach wie vor lebendigen, wenn auch scheinbar sterbenden Systems, sich u.a. ausdrückend in Kontrolle und gewisser Willkür.
Mishas Lieblingsfotoobjekt im  Moma Während Handel und Wandel explosionsartig aufbrechen, stehen unzählige Wachleute vor allem und jedem Spalier. Kreativität und Lebenslust paaren sich mit öden Tagesabläufen, Armut und Siechtum mit immensem Reichtum, Protz und Dekadenz, augenschmausige Bauten mit Industrieanlagen, hässliche Fassaden mit heimeligem Innenleben, ein hocheffizientes Metrosystem mit teilweise hoffnungslos überlasteten Straßen, Internationalität mit Visapolitik, asiatische mit europäischen Einflüssen, grantelige Abweisung mit hilfsbereiter Freundlichkeit in beliebiger Abwechslung, vereiste Wege mit Damen, die mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre High Heels darüber schweben lassen.

Nach Budapest (mit einigen Parallelen zu Moskau - eine pulsierende Metropole mit historischem Odem in den Venen), Prag, Klaipėda und anderen nun also eine weitere intensivere Erfahrung mit einer Region, die mir lange Zeit ferner und fremder als die Nordflanke des Nanga Parbat erschien und die so heilsam den manchmal lebensverneinenden Stilblüten verwöhnter Gesellschaften entgegenwirkt.

In einer nächtlichen Mail an Gollum (nicht Niklas!) aus dem Rossija entwich mir mal eine Formulierung, welche die inzwischen langjährige besondere Affinität zum östlichen Europa begründen mag.

Skulptur in der Metro ".. Na, dann habt ihr ja wenigstens auch ein wenig Winteraroma .. ;-)
hier hat es heute den ersten(!) Sonnentag gegeben .. :-)
bin weiterhin in Bier- und Schlaflosigkeitstrance ..
gehe immer erst gegen 3 in die Federn und bin entsprechend leicht zerknautscht den Tag über ..
meine Stimmung ist recht ambivalent – einerseits bin ich etwas traurig darüber hier gleich wieder weg zu müssen, gerade etwas eingelebt und trotz einiger Aktivitäten noch so unendlich viel zu sehen und machen (ist wirklich eine beeindruckende und faszinierende Stadt!) ..
Süßigkeiten à la Moskau Glaube, ich kann es inzwischen auch beschreiben was etwa es ist – die Aufbruchstimmung! Der Umstand, dass alles irgendwie im Werden und strukturell noch sehr "unvollkommen" im Vergleich zu den westlichen Ländern ist, dass Entwicklung und Bewegung fühlbar ist, diese gewisse Spannung überall und zugleich allerorten das jeweilige historische Erbe auf sonderbar archaische Weise präsent. Archaisch passt irgendwie - die Leute probieren sich, sie versuchen etwas, sind kreativ und/oder suchen noch ihren Weg zu überleben und suchen überhaupt mit fühlbarer Neugier auf das Leben. Nennen wir es halt einfach Architekturdenkmal ;-) Nichts von der Wattesoße, die wir so ermüdend und einschläfernd gewohnt sind. Es ist einfach spannend. Etwas davon ist auch noch im östlichen Deutschland vorhanden. Gera machte es wohl exemplarisch ganz gut transparent.
Hinzu kommt indes der gewisse damit verbundene Zeitdruck, denn es ist völlig klar, dass diese Phase nur über einen recht engen zeitlichen Korridor lebt, denn der Übergang hin zu westlichen Strukturen mit allen damit verbundenen Aspekten nimmt überall seinen dynamischen Fortgang. .."

Der Russisch-Kurs hat jedenfalls nach einem kurzfristigen Motivationsloch unmittelbar nach der Rückkehr nun weiterhin einen interessierten Teilnehmer.
Moskau: eine andere Welt Gerne lasse ich hier auch Master Lü noch einmal zu Wort kommen: "Russland ist ein Land, welches einfach alles hat, dem ein gigantischer Reichtum innewohnt. Wenn die Menschen dort das mal anfangen richtig zu nutzen erschließen sich die unbegrenzten Möglichkeiten wie von selbst!".
Moskau. Es ist, noch, eine etwas andere Welt. Da!

Mikly

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