I. Chessgate-/Sparkassen-Open Nettetal 2004

Der Sommer ist da, Uni sowie Saison vorbei und was macht man, wenn man sonst nichts mit sich anzufangen weiß? Na klar, man spielt ein Open um schachlich fit zu bleiben.
Nachdem ich dies so für mich beschlossen hatte, galt es nur noch die geeigneten Turniere und Mitstreiter zu finden um den Plan nicht gänzlich solo in die Tat umsetzen zu müssen. Nach kurzem Suchen in den entsprechenden Medien und dem ein oder anderen Gespräch mit geeigneten Mitstreitern war die Auswahlliste recht schnell gefüllt. Nordhausen mit Weuni, Baunatal mit Brain und Apolda mit Willi waren die heißen Kandidaten für den Opensommer 2004.
Aber es fehlte irgendwie etwas. Genau, ein Urlaubsturnier. War es in den letzten Jahren Freudenstadt und 2x Fürth so überzeugte mich dieses Jahr Nettetal in den Punkten: 9 Runden, täglich eine, 14:00 Uhr Beginn. Auch der Preisfonds ließ auf ein gutes Turnier mit starken Gegnern schließen.
Nun stellte sich nur noch die Frage, wem vom Mitfahren überzeugen. Weuni hatte keinen Urlaub mehr und war außerdem in Nordhausen aktiv, Brain ist ein fester Bestandteil in Baunatal und Willi weilte in Budapest. Also konnte ich kurzerhand Franziska Beltz vom SC Leipzig Gohlis für mich und meinen Plan gewinnen die Reise anzutreten. Auch ein weiterer Mitreisender (zumindest für die Hinfahrt) war schnell gefunden. Hanno löste, in seiner Vorfreude auf 1 Jahr Kuba (der Coach findet einen sehr würdigen Nachfolger), seine Wohnung/ Zimmer auf und deponierte die sperrigen Sachen bei mir und alles was ins Auto passte im selbigen. Nach gelungener Verladeaktion verfolgte man noch, wenn auch etwas später als ursprünglich geplant, den Bundesligastart bei Pizza und Bier, bevor es am 07.08. mehr oder weniger pünktlich um 4:15 in Richtung Nettetal losging. Da aber Leipzig nicht gleich Leipzig ist (und Paunsdorf schon gleich gar nicht) wurde noch zu einem kleinen Umweg ausgeholt, um die gerade aus dem Urlaub gekommene Franzi gleich wieder für den nächsten einzuladen. Nach kurzer Abstimmung mit allen Beteiligten wurde sich dann schnell auf die Südroute geeinigt und auf ging es zum ersten Zwischenstopp den Möhnesee bei Soest. Dort kamen wir zwar unerwartet früh, aber doch zur besten Frühstückszeit an und wurden sogleich königlich mit den eigentlich zum Brunchen vorgesehen Köstlichkeiten bewirtet. Vielen Dank nochmals an dieser Stelle. Nur die groß angepriesenen Schildkröten bekamen wir nicht zu Gesicht, dafür aber einige gute Ratschläge, wie man sich sicher durch das Ruhrgebiet kämpft. Kein Wunder also, dass wir so gut beraten noch unsere Ferienwohnung in Leuth, einem der vielen kleinen Orte, welche sich zur Gemeinschaft Nettetal zusammengeschlossen haben, beziehen konnten und trotzdem pünktlich zu Turnierbeginn in Lobberich anwesend waren.
Dort angelangt gab es auch gleich die erste gute Nachricht. Franzi wurde sogleich ein Preis zugesichert, denn nur 2 anwesende Damen konnten das ausgelobte Preisgeld unter sich aufteilen. Ein Blick auf das Starterfeld enttäuschte mich dann aber etwas, waren doch nur 63 Teilnehmer bei sehr dünnen Mittelfeld (Gegner zwischen 2100 und 2300) zu finden. Am Preisfond kann es nicht gelegen haben, sicher aber an dem zeitgleich stattfindenden Ordixopen in Mainz, dem gut besetzten Turnier in Baunatal und einem weiteren Klassiker für diese Region in Holland. Die wunderbaren Spielbedingungen, die freundliche Turnieratmosphäre und das gänzlich stimmende Umfeld ließen diese Enttäuschung aber schnell verschwinden. Am Ende des Turniers waren sich fast alle Teilnehmer einig auch im nächsten Jahr, bei der hoffentlich zweiten Auflage, die großartigen Organisatoren Jürgen Daniel und Jochen Post wieder beehren zu wollen.
Schach mussten wir an diesem Tag auch noch spielen, aber die uns zugeteilten Pflichtaufgaben konnten wir souverän meistern und den Tag 100%ig abschließen.
Der Sonntag begann etwas später als vorgesehen, aber das stört mich ja bekanntlich gar nicht und auch Franzi nicht sehr. So wurde das Frühstück kurzerhand zum Mittagessen deklariert - oder umgekehrt - um direkt im Anschluss sich per pedes immer an den Seen entlang zur Runde zu begeben.
Dort wurden diesmal wir als Pflichtaufgaben betrachtet. Franzi traf mit Schwarz auf IM Haub und mich verschlug es gegen GM Romanishin an Brett 2. Wenigstens erreichte ich schon jetzt, leider viel zu früh, mein Turnierziel einmal auf der Tribüne zu spielen. Franzi entschied sich leider nach interessanter und wohl auch guter Eröffnungsbehandlung und einem Scheinopfer für den falschen Weg die Figur zurückzugewinnen. IM Haub bestrafte dies sofort und sicherte sich den ganzen Punkt. Meiner einer konnte einen Achtungserfolg erzielen und eine zwischenzeitlich schlechtere Stellung mit 2 Minusbauern in eine sehr gute mit nur noch einem Minusbauern transformieren. Leider fehlte mir etwas der Mut zum Weiterspielen und so bot ich Remis. Mit den Worten: "Bauer mehr aber hier kann ich nicht auf Gewinn spielen." wurde es dann auch angenommen. Meine zweistündige Analyse mit dem sehr sympathischen GM ließ aber alle anderen Pläne für den Abend in Rauch aufgehen, denn nach dem Rückmarsch blieb nur Zeit für ein sporadisches Abendbrot.
Der Montag-Vormittag wurde erstmal dazu genutzt die Vorräte aufzufüllen, dann ein kurzes Mittagsfrühstück und auf ging es wieder nach Lobberich. Es blieb gerade noch genug Zeit um nicht weit entfernt vom Spiellokal Fahrräder auszuleihen, welche uns in den nächsten Tagen treue Dienste leisteten.
Schachlich gestaltete sich dieser Tag eher bitter für uns. Erst warf ich in aussichtsreicher Stellung gegen einen leicht favorisierten Gegner bei gegnerischer Zeitnot einzügig meinen gesamten Vorteil weg um wenig später völlig den Faden zu verlieren. In einem einfachen und total ausgeglichenem Endspiel stellte ich dann auch noch eine Figur ein. Zu allem Übel gelang es auch Franzi gegen einen deutlich schlechteren Gegner trotz zweier Mehrbauern nicht zu gewinnen. Kein Wunder also, dass an diesem Abend die Stimmung am Boden war, doch eine Fahrradtour um die umliegenden Seen ließ uns den Frust aus den Beinen treten. Auch die teilweise abenteuerlichen Wege ließen die schachlichen Wunden schnell heilen, rissen aber einige neue auf. Wieder in Leuth angekommen wurde erstmal ein großer Topf Spaghetti nach Schütz'scher Art gekocht. Dieser sollte uns auch in den nächsten Tagen noch gut ernähren.
Runde 4 bescherte mir dann wieder einen Pflichtsieg. Dass es auch ein Kurzsieg wurde, verdankte ich der leicht ungenauen Eröffnungsbehandlung meines Gegners. Auch Franzi hatte eine lösbare Aufgabe, konnte aber wieder 2 Mehrbauern nicht zum Sieg führen. Da halfen als Trost nur noch Spaghetti zum Abendbrot. Die schienen ihre Wirkung zu zeigen, denn in der nächsten Runde wurde der Gegner förmlich vom Brett gefegt und es konnte sich endlich über einen schönen Sieg gefreut werden. Meiner einer bekam mit Ralph einen der starken, wenn auch nicht den stärkeren, Strohhäkerzwillinge zugelost. Es entwickelte sich eine sehr spannende und unterhaltsame Partie, die ich am Ende sicher gewann. Zum Dank für die harte Arbeit gönnten wir uns ein ausführliches und unterhaltsames Abendessen beim Griechen mit den Organisatoren und einigen anderen Turnierteilnehmern.
Donnerstag-Vormittag war Training mit Christopher Lutz angesagt, doch aufgrund des langen und feuchtfröhlichen Abends zuvor entschied ich mich gegen Schach und für Erholung. Ich wollte auch nicht zu vorbelastet in die Weißpartie gegen GM Florian Handke gehen. Wie sich zeigen sollte lohnte sich diese Einstellung. In einer scharfen Sizivariante, die ich so zum ersten Mal spielte, war ich früh auf mich allein gestellt, was sich in einem ungewohnt hohen Bedenkzeitverbrauch äußerte. Aber die Zeit war gut angelegt, denn ich schaffte es die gesamte Partie über am Drücker zu sein und mit Zug 16 war bei Florian die Zeit schon knapper. Leider verlor ich in der Blitzphase so ab Zug 25 die Übersicht und als nach 43 Zügen das Blitzen eingestellt wurde, stand ich auf Verlust. Schade, aber ich war mit der Partie trotzdem sehr zufrieden. Franzi fuhr erneut einen Favoritensieg ein und überholte mich erstmalig punktetechnisch. Der Abend klang entspannt aus, denn die Blitz- und Tandempartien mit Florian und den Strohhäkers brachten allen Beteiligten sehr viel Spaß.
Freitag der 13. wurde für mich kein sehr guter Tag. Obwohl ich eigentlich nicht an so einen Unsinn glaube, verlief meine 7stündige Verteidigung unter den Augen von Mikly mehr als tragisch und ich musste mich gegen einen starken knapp 2000er geschlagen geben. Kein Wunder, dass ich dementsprechend bedient war, aber auch Florian, der wie ich meine Stellung zwischendurch für ausgezeichnet hielt, fand in der Analyse keinen Weg zum Gewinn, wohl aber einen leicht besseren Plan. Leichter hatte es Franzi, denn ihr Gegner, immerhin Elo 2235, stellte einzügig die Figur ein um danach direkt aufzugeben. Kein guter Tag für eigentlich favorisierte Spieler.
Meinem Frust ließ ich dann beim folgenden Blitzturnier freien Lauf, wo ich mich nur IM Haub geschlagen geben musste (wie im Übrigen auch alle anderen Teilnehmer). 3 Remisen kamen noch hinzu, eins davon gegen Franzi, die mich zum Würstchen ohne Brot einlud. So kam ich am nächsten Tag zum zweiten Mal auf die Bühne, zwar nicht um zu spielen, aber um mir meinen Buchpreis abzuholen.
Spielen durfte ich gegen eine 1820, welche eine lange Caro-Kann-Theorievariante mit frühem Damentausch a Tempo abspulte, was mich zunächst nicht gerade erfreute. Aber erstmal richtig mit der Stellung vertraut gemacht lernte ich die Vorzüge der weißen Stellung begreifen und fuhr das leicht bessere Endspiel sicher nach Hause. Franzi spülte es ganz nach vorn und mit Gennadi Ginsburg zu ihrem zweiten IM. Diesmal gelang mit Schwarz die Eröffnung nicht ganz so gut und sie musste bald die Waffen strecken, aber die durchaus lange Analyse hat sicher noch einiges an Wissenszuwachs gebracht. Nachdem dann alle Partien beendet waren, gingen wir nochmal gemeinsam mit Spielern und Organisatoren zum Griechen und hofften wohl teilweise auch, der morgige Gegner würde unter den Tisch getrunken. In Franzis Falle war das nicht der Fall und ich bekam nur die Warnung meinem Gegner nicht all zu oft ins Gesicht zu schauen.
Auf zur letzten Runde um das Turnier versöhnlich abzuschließen. In meinem Falle kam da nur ein Sieg in Frage, aber in Franzis Falle war gegen einen leicht favorisierten Gegner das Ergebnis eher nebensächlich und eine gute Partie wichtig. Dass es aber so leicht für ihn wurde, lag wohl am zum ersten Mal angewandten System und der mangelnden Kenntnis der Feinheiten. Ich quälte mich, wohl auch, weil ich 1, 2 mal schaute, gegen eine 1700 ziemlich lang, wobei man die ersten 30 Züge getrost vergessen konnte. Erst in einem schwierigen Endspiel wachte ich auf und entdeckte meine Freude daran. Das war auch der einzige Zeitpunkt in dieser Partie, wo ich mich einigermaßen motivieren konnte. Nach langem Kampf in einer Partie wo fast wieder 3 Damen auf meiner Seite entstanden wären (nur der Gegner hatte diesmal keine) konnte ich dann den ganzen Punkt einfahren.
Am Ende blieb für Franziska der erst Damenpreis, eine etwa gleichbleibende DWZ und ein ordentliches Eloplus. Für mich lief es ähnlich, Platz 16, kein DWZ-Minus, aber auch kein Plus, dafür aber endlich mal gute 10 Elopunkte auf der Habenseite.
Nach der Siegerehrung und nachdem sich von allen verabschiedet wurde, traten wir die Heimreise an, schließlich galt es ja für Franzi noch einen Zug zu erwischen und in den nächsten Urlaub zu starten. Nettetal war ein wunderbares Turnier und wir hoffen, es gibt nächstes Jahr eine neue Auflage um sich den Urlaub schachlich zu versüßen.

Normi

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