Open Baunatal 2004

Ende des Semesters, Prüfungen vorbei - Durchatmen.
Anfang August!? Da war doch immer dieses Turnier in Baunatal!? Richtig! Bereits zum 10. Mal öffnete das Team um Helmut Schumacher seine Pforten für das königliche Spiel.
Nach meinen Teilnahmen 2002 (mit dem Coach, der sich diesmal frecherweise [es gibt Beweisfotos!] anderswo rumtrieb) und 2003 (mit Wagi, der seit neuestem in Diensten Rochade Magdeburgs ist) brachte ich zur persönlichen dritten Auflage mit Bekka auch den dritten - wie auch unsere "Gasteltern" (die Familie von Helmuts Tochter) ganz schnell feststellten - Reisepartner mit ins Nordhessische. Diese vier Tage sind nicht nur voll des Schachs, sondern versüßen mit lustigen Episoden voller kindlicher Unbekümmertheit das sommerliche Open-Geschehen. Vivienne (das "Z" muss sie noch ein bisschen üben), Marcel (Ja, in der Schule muss man Hausaufgaben machen!) und Marvin (auch bekannt als Brüll-Bär ;-) ließen es NIE langweilig werden. An dieser Stelle sei weiterhin erwähnt, dass man sich bei Fragen hinsichtlich der schrecklichen Echsen (hierzulande als Dinos bekannt) auch und gerade bei den lateinischen Bezeichnungen vertrauensvoll an Marcel wenden kann - der bleibt bestimmt keine Antwort schuldig. Günter Jauch kann sich warm anziehen!

Neben Bekka und mir waren auch andere Sachsen-Anhaltiner (Sebastian Böhme aus Bernburg und Ingo "Bingo" Braussemann, jetzt Postbauer-Heng), aber auch viele andere bekannte Gesichter vor Ort, (so z. B. Familie Häcker aus Württemberg, oder Franziska Fey vom Fast-Sachsen-Aufsteiger-und-damit-Gegner-in-der-Oberliga CSC Aufbau Chemnitz sowie Eike Schwede, der besser als Chessy bekannt ist, aber auch Matthias Tonndorf (jetzt Salzgitter), der sich gern mal bei Rosenturnieren in Sangerhausen sehen lässt und ebenfalls bei Marcel und Co. übernachtete), die sich bei deutlich kühleren Temperaturen warme Gedanken machen wollten, um heiße Preise zu gewinnen. Nach der Bullenhitze im letzten Jahr zog man heuer in die sehr geräumige, klimatisierte Stadthalle und ließ das Vereinshaus in Altenbauna brachliegen. Ob nun allerdings eine "Dreifelderwirtschaft" angedacht ist, konnte ich bei meinen Nachforschungen nicht herausbekommen.
Ein weiteres Novum war die Einführung eines B-Opens für Spieler mit DWZ < 1900. Das brachte einen ordentlichen Teilnehmeranstieg mit sich (waren es letztes Jahr noch rund 130 Teilnehmer, so fanden diesmal 106 Spieler ins A-Open, welches sich aus 85% aus ELO-Trägern zusammensetzte und weitere 85 tummelten sich im B-Open), was Helmut sogleich über ein nächstjähriges C-Turnier nachdenken ließ.

Für Bekka stand vor allem Spielpraxis auf dem Plan. Noch eben dem Stress der Betreuerin bei der alljährlichen RKW (na, was heißt das?) ausgesetzt, startete sie einen Augenblick später im B-Turnier und stürzte sich ins Abenteuer. Über lustige Gegner, die alles kommentieren und unter Analyse das bloße Nachspielen der Partie verstehen sowie Leuten, die "gern mal am Brett vorbeischauen" kann sie euch jede Menge erzählen. Meiner-einer wollte nach getaner Arbeit (siehe erster Satz ganz oben) einfach mal wieder ein Elo-Turnier spielen und ohne große Ziele "ordentliches Schach" spielen. Unverkrampft spielt es sich ja bekanntlich sowieso am Besten.

Nun, Schach wurde natürlich auch noch gespielt. Runde 1 bescherte Bekka gleich ein Match über "die volle Distanz". Stand sie zeitweise wohl auf Verlust, behielt sie in einem sehr interessanten Bauernendspiel, das nicht nur mir, sondern auch einigen anderen Kiebitzen reichlich Analysestoff lieferte, die Oberhand. Ich konnte gegen einen sich zur Zeit in Deutschland aufhaltenden Australier (wir sprachen später noch über GM Ian Rogers …) gewinnen, der mein begrüßendes "It is a long way, isn't it?" mit einem akzentuierten "Ich bin nicht extra wegen Schach hier, sondern ich wohne hier" beantwortete.
Runde 2 bescherte Bekka den Sieger gegen Bingo aus der Auftaktrunde. Wegen der speziellen Summenwertung (ein Sieg ist in der 1., 2., 3. Runde 7, 6, 5 usw. Punkte wert - d. h. man muss unbedingt am Anfang punkten) war für Bingo, der diese Partie nach eigenen Angaben gewinnen konnte, siegen angesagt. Das klappte dann auch ganz gut ...
Bekka hatte mit Schwarz alles im Griff und schlug schlussendlich taktisch zu - 2/2 hörten sich wirklich prima an. In sicherer Erwartung an Brett 1 oder 2 zu spielen, (die Setzliste und die Anzahl der Einpunkter ließ das erwarten) betrat ich den Spielsaal. Dass ich mich im wahrsten Sinne des Wortes (der geneigte Leser sei auf später verwiesen) "zu früh gefreut" hatte, zeigte sich, als die Auslosung Tisch 19 und einen vermeintlich Schwächeren für mich bereithielt. Aus der Eröffnung heraus erhielt ich sehr großen Vorteil, so dass der K.O. nicht mehr lange auf sich warten ließ - auch 2/2. Hmm, das war ein Start nach Maß!

Die 3.Runde sollte für Bekka das Zünglein an der Waage spielen. Leider war ihr an diesem Tag Caissa nicht wirklich hold. Sie hatte ihren Gegner, der das B-Open mit 6/7 gewann, übrigens fest im Griff, stand klar besser. Dazu kam die horrende Zeitnot ihres Gegenüber. Doch, wie es eben so passiert, greift sie gerade dann fehl und verliert unglücklich. Schade.
Meine 3.Runde hielt mit FM Massoud Sawadkuhi aus Hamburg einen ersten ELO-Brocken bereit. Mit Schwarz kam ich zunächst gar nicht gut aus der Eröffnung, konnte die Stellung aber zusammenhalten und bot, nachdem ich seine Remisofferte im 29. Zug noch ausschlug, im 33. Zug selbst die Punkteteilung an, was akzeptiert wurde. Am dritten Tag standen dann die Runden 4 und 5 auf dem Plan. Gespielt wurde immer 10.00 Uhr und 17.00 Uhr, was die allgemeinen Essenszeiten also völlig ignorierte. ;-)
Bekka hatte sich wohl noch nicht von ihrer vergebenen Chance erholt und verlor die Vormittagsrunde, obwohl (oder gerade deswegen? ;-)) ihr Gegner ihr ein französisches Dankeswort (besser bekannt als Naschwerk) anbot. Mit Christian Aepfler wartete ein alter Bekannter auf mich. Aus der Eröffnung heraus konnte ich die Stellung neutralisieren, die Damen wurden getauscht und ein entstehendes Endspiel bot keinem von uns einen Vorteil, der zum Weiterspielen gelohnt hätte - zweites Remis also und 3/4. Das klang schon ziemlich gut. Die 5.Runde brachte Bekka eine sehr, sehr unterhaltsame Partie. In einem offenen Sizilianer stand sie erst besser, übersah dann einen Qualitätsverlust und gab am Ende Dauerschach - 2,5/5. Als wir (zusammen mit Bingo und Matthias) Bekkas Partie im Foyer unter die Lupe nahmen, konnte ihr vorbeispazierender Gegner ganz und gar keine Übereinstimmung seiner Partie und unserer Analysestellung feststellen. Lachen vorprogrammiert. Die 5.Runde brachte mir einen gleichstarken Gegner, in der eine Theorievariante der Französischen Verteidigung zur Debatte stand. Nachdem meine Theoriekenntnisse im 19.Zug endeten, bot ich bei interessanter Materialverteilung (ich hatte 2T, 6B und er hatte T, L, S und 4B) Remis an, weil ich das Endspiel als etwa gleich einschätzte. Mein Gegner wollte aber spielen. Okay, dachte ich mir - und war wirklich gespannt, welche Seite sich als effektiver und koordinierter erweisen würde. Plötzlich bot mein Gegner nicht nur Turmtausch, sondern auch die Punkteteilung an - mittlerweile hatte ich mein Trümpfe (=Bauern) ins Rollen (besser: ins Rocken!) gebracht und sah nach einem Turmtausch meine Chancen auf einen Sieg doch ins Realistische steigen, so dass ich ablehnte und wenig später meine dann verbundenen Freibauern (vorher f-, g- und h-Bauer gegen g-Bauer) auf f6 und g5 parkte und alsbald den vollen Punkt einstrich - 4/5 spulten mich also ganz weit nach oben.
Der Sonntag war angebrochen und wollte die letzten beiden Runden hinter sich bringen. Bekka fand zu "alter Stärke" zurück und beendete ihre dreiründige Durststrecke mit einem ungefährdeten Sieg, der sie vorerst auf den ersten Platz in der Damenwertung brachte. Ich durfte mich an Tisch 3 niederlassen. Gegner: IM Leonid Sobolevski. Nach der Eröffnung, für die ich sehr viel Zeit benötigte, war ich der Meinung, etwas falsch gemacht zu haben. Meine Stellung gefiel mir überhaupt nicht. Ich ärgerte mich schon darüber, wie ich die Chance, eine gute Partie gegen einen guten Gegner spielen zu können, nicht nutzte. Verlieren kann man ja, aber ordentlich spielen muss man. Jedenfalls nahm er zu meiner Überraschung gierig meinen Bauern mit, damit war sein ganzer Druck auf einmal weg. Für den Bauern stand ich völlig OK. Er überraschte mich ein zweites Mal, als er den Bauern postwendend zurückgab und ich in ein leicht vorteilhaftes Endspiel rutschte. Nach geschaffter Zeitkontrolle (ich hatte leider ein, zwei sehr gute Chancen ausgelassen :-( war mir dessen aber während der Partie noch nicht bewusst) wusste ich , dass ich nicht Remis bieten werde, da er sowieso bis zum letzten Bauern kämpfen würde. Als ich meinen h-Bauern ins Rennen schickte, war meine Stellung plötzlich klar besser. Was dann so passierte, lest ihr am besten in den Partiekommentaren. Nach einem halben Remisgebot seinerseits wickelte er in ein zwei-Springer-gegen-Bauer-Endspiel ab, was ich aber (ich dachte gar nicht, dass das so schnell geht) relativ schnell gewann. Somit stand ich nach 81 harten Zügen bei unglaublichen 5/6!! Ich konnte es gar nicht glauben. Das war echt heftig.
Beim Mittagessen meinte Matthias dann, dass die einzige logische Auslosung Schebler-Schuster wäre, was auch der Wahrheit entsprach. Damit spielte ich in der letzten Runde in einem Open mit über 100 Teilnehmern und diversen Titelträgern auf Platz 4 liegend an Tisch 1 gegen den an 1 gesetzten IM Gerhard Schebler. An Tisch 2 wurde sich schnell auf Remis geeinigt, was bedeutete, dass Schebler mit einem Remis jederzeit geteilter Erster sein würde. Ich war ohne jegliche Erwartungen in diese Partie gegangen und war mir sicher, dass er doch 6,5/7 und den alleinigen Turniersieg vorziehen würde. Im 14.Zug überlegte er eine Dreiviertelstunde und als ich ans Brett kam, war mir, als hätte ich bei Ausführung seines Zug ein Remisgebot gehört! Da ich nicht dreist "Wie bitte?" nachfragen wollte, schaute ich auf sein Partieformular, auf dem das übliche (=) hinter seinem Zug notiert war. Ich hielt sofort die Hand über das Brett und war überglücklich. Er meinte, dass Schwarz schon fast besser steht und er irgendetwas falsch gemacht haben muss. Somit war ich bei 5,5/7 angelangt, was hinter den geteilten Turniersiegern FM Efim Rotstein und IM Gerhard Schebler (beide 6/7) den geteilten 3.-6. Platz zusammen mit Ilja Schneider, GM Lev Gutman und IM Stefan Reschke bedeutete. Nach Wertung war ich dann 5. Dieses Wahnsinnsturnier brachte mir insgesamt rund 35 ELO- und rund 50! DWZ-Punkte ein! Echt ein Hammer.
Bekka war in der Schlussrunde relativ schnell fertig, sie akzeptierte ein Remisgebot ihrer Gegnerin, was ihr den ersten Damenpreis sicherte. Insgesamt bedeuteten 4/7 Rang 28 und ein erträgliches DWZ-Minus. Bingo hatte die Aufholjagd in Runde 2 begonnen und tatsächlich fünfmal in Folge gewonnen. Mit 5/6 brauchte er aber wegen der schlechten Wertung einen Sieg, weswegen er ein Remis ausschlug, was "nur" Platz 6 gebracht hätte. Leider wurde er für seinen Kampfgeist und -mut nicht belohnt und verlor. Nach der Siegerehrung gingen wir dann noch mit Franzi und Familie Häcker beim Chinesen Essen, wonach wohl alle völlig vollgefressen aber ausgelaugt ins Bett fielen.
Bei der Verabschiedung mit Helmut fragte dieser gleich, ob ich für nächstes Jahr vorbestellen möchte. Als ich fragend entgegnete, wie ich dieses Jahr noch übertreffen sollte, meinte er: "Na das Turnier gewinnen!". Hmm, alles klar ;-)

Seid ihr auch schon so gespannt wie ich, wer nach Coach, Bingo und Bekka nächstes Jahr mitkommt?

Brain

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