Fernpartie SSG Zörbig - Reinhart Fuchs
Fuchs, Reinhart - SSG Zörbig
Fernschachpartie, 1969
[Schuster, Martin] [C11]
Die
vorliegende Fernschachpartie zwischen IM Reinhart Fuchs und der SSG Zoerbig, einer Gruppe aus schachbegeisterten
Jugendlichen (u.a. der 15-jaehrige Konrad Reiss) ist nun schon fast 38 Jahre alt. Fuer diejenigen (wahrscheinlich
die juengeren Semester), denen Reinhart Fuchs kein Begriff ist, sei angemerkt, dass er anno 1952 in Sigmaringen
gesamtdeutscher Jugendmeister (getrennte Meisterschaften Ost/West erst ab 1954) wurde. Nur 4 Jahre spaeter
errang er in Leipzig mit 11/15 den DDR-Meister-Titel und verlor nur gegen Vizemeister Werner Breustedt
sowie Heinz Liebert! Meines Erachtens machte er sich fortan (nach 1970 erfasst ihn die MegaBase erst
wieder im Jahre 1995!) im Fernschach einen grossen Namen. Wohlan - sehen wir uns einmal an, was die Jugendlichen
dem erfahrenen Meister entgegenzusetzen hatten.
1.e4
e6 Die Franzoesische Verteidigung
kommt in vielen Gewaendern daher - mal ergibt sich durch die Abtauschvariante eine voellig symmetrische
Stellung, ein anderes Mal ist der Kampf ums Zentrum thematisch - Schwarz versucht, den weissen Raumvorteil
an der Wurzel - dem d4zupacken!
2.d4
d5 3.Sc3
Sf6 4.e5
[4.Lg5 Dieser Zug war bis dato
in 7 Fuchs-Partien die erste Wahl, Erfolgsquote 50%. Er ist auch der Hauptzug dieser Variante. Gegen
die Jugend wurde nun also ein neuer Weg eingeschlagen!
4...Le7
(4...dxe4 5.Sxe4
Le7 6.Lxf6
Lxf6 7.Sf3)
5.e5 Sfd7
6.Lxe7
(6.h4!?)]
4...Sfd7
[Die Alternative
4...Se4 geniesst
keinen allzu guten Ruf
5.Sxe4 dxe4
6.Lc4
(bzw. 6.Le3)]
5.f4 c5 Der
von mir oben angesprochene, typische Plan - Schwarz muss d4 attackieren, nur dann wird nach und nach
auch deutlich, dass der weisse Sc3 falsch postiert ist. Am liebsten wuerde Weiss natuerlich mit einem
Bauern auf d4 wiedernehmen, weshalb Ideen mit Sc3-e2 gefolgt von c2-c3 auch ueblich sind.
6.Sf3
Sc6 7.Le3
Db6 So spielten auch schon Ivanchuk
und Barejew, allerdings wohl NACH 1969!
[7...cxd4 8.Sxd4
Lc5 9.Dd2
8.a3
[8.Sa4 Ist der Hauptzug - dass
laesst sich freilich leicht sagen, wenn der Rechenknecht mit Millionen Partien im Speicher alles mundgerecht
aufbereitet - 1969 war Konrad Zuse zwar schon aktiv, aber von einem Laptop (wie ihn heutige Spitzenspieler
mit sich von Turnier zu Turnier herumschleppen) war damals nicht im entferntesten zu traeumen.
8...Da5+
9.c3 cxd4
10.b4 Sxb4
11.cxb4 Lxb4+
12.Ld2 Lxd2+
13.Sxd2 Die interessante Diskussion
3 Bauern vs. Figur war auch schon in Timman-Jussupow ein Thema.]
8...a6 "Vielleicht a bisserl
zu zaghoaft, da muss ma ran, da derf ma ka Angst hab`n" wuerde der Kaiser sagen. Natuerlich sieht jeder,
dass der b2 wegen des Damenverlustes nach Sa4 vergiftet ist, das Schlagen auf d4 war aber einen Tick
besser als der Textzug.
[8...cxd4 9.Sxd4
Lc5 10.Sa4
(10.Scb5 Sxd4
11.Lxd4
10...Da5+ 11.c3
Lxd4 12.Lxd4
Sxd4 13.Dxd4
b6 14.Db4
Dxb4 15.axb4
Ke7 16.Lb5
Lb7 Weiss hat zwar Raumvorteil,
Schwarz sollte den Laden aber zusammenhalten.]
9.Sa4 Da5+ Andernfalls
bedient sich Weiss auf c5.
10.c3
cxd4
[10...c4!? Kann man sicher
auch spielen, das gefaellt dem Fritz sogar ganz gut.Strategisch gesehen widerspricht es dem Schwarzen
natuerlich, den Damenfluegel abzuriegeln, aber hier bereitet dem Anziehenenden das Ross auf a4 ein paar
Sorgen.
11.Le2
(11.b4 cxb3
12.Dxb3 b5
13.Sb2 b4!
14.cxb4 Lxb4+
15.Kf2 Tb8 Es
ist nichsts Aussergewoehnliches passiert, aber Schwarz zeigt Initiative.)
11...b5 12.Sc5
Sxd4!
(12...Sxc5 13.dxc5
Dc7)
13.Sxd7
(13.Sxd4 Sxc5)
13...Sxf3+ 14.Lxf3
Lxd7]
11.b4 Dd8
[11...Dc7 12.cxd4
b5 13.Sc5
Sb6]
12.cxd4 Weiss
steht besser, der Raumvorteil spricht fuer sich. Der "franzoesische Laeufer" auf c8 harrt der Dinge,
die da kommen; es ist nicht einfach, einen Plan zu finden.
12...Le7
13.Db3?!
[13.Tc1! Laehmt auch noch den
b7 - ich wuerde sagen: Atemnot auf schwarzer Seite!
13...Sb6
14.Sxb6 Dxb6
15.Ld3 Der
Gemeinling zielt sicherheitshalber schonmal nach h7... man weiss ja nie!]
13...b6
[13...b5 Schwarz sollte die
Chance nutzen (der Sc6 haengt nicht im Gegensatz zu Tc1).
14.Sc5
Sb6]
14.Ld3 b5 Ein
Eingestaendis, das sicher schmerzt. Aber wir wissen ja, dass die Komponente "Zeit" im Schach eine gewisses
Gewicht auf sich vereint. Ein klassischer TEMPOverlust - den unsere gruenen Freunde lieber auf den Autobahnen
sehen wuerden!
15.Sc5 Sb6 Schwarz
erspaeht den Vorposten auf c4.
[15...Sxc5 16.dxc5
16.
17...Sc4
18.Lc1 Es ist klar, dass Weiss
f5 plant (das ist ja auch nicht so schwer zu erraten), ansonsten waere der Laeufer nichts wert.
18...h6 Bei
so einem Zug faellt mir immer ein: Mach keinen Zug an dem Fluegel, wo der Gegner angreift, du verkuerzt
nur den Angriffsweg! Man kann ja wenigstens auf Sg5 warten, bis man h6 spielt.
[18...a5 Schwarz sollte hier
aktiv werden, dann ist der Ta8 ins Spiel einbezogen.]
19.g4 Wie war das mit dem
Angriffsweg? Hier war auch Lc2 gefolgt von Dd3 eine Option.
19...a5
20.f5?! Der Lc1 atmet auf!
20...exf5?!
[20...f6! An allen Fronten!
Schwarz oeffnet das Zentrum und Weiss krankt ein wenig - dem Koenig wird es luftig um die Huefte! Hat
denn diesen Zug kein Schueler vorgeschlagen? Das glaub` icheinfachnicht!
21.exf6
(21.fxe6? fxe5
22.Lf5 (22.dxe5
axb4 23.Sd7 (23.axb4
Sxb4 24.Dxb4
Db6 Und der c5 ist futsch!)))
21...Lxf6 22.fxe6
Sxd4 23.Lh7+
Kxh7 24.Dd3+
Kh8 25.Sxd4
De8 Jetzt geht`s erst richtig
los!]
21.gxf5 Te8
22.Lb1 Es scheint, als seien
die Laeufer auf b1 und c1 viel staerker als auf d3 und e3 - bedrohlich haben sie sich auf der Grundreihe
versammelt.
22...axb4 23.axb4
Lxc5? Ungestueme Jugend! Als
Verteidiger muss man sich in Geduld ueben! Noch ist doch nichts Schlimmes passiert, besser war das prophylaktische
Lf8.
24.bxc5
b4 25.f6 Die
beiden Diagonalen sind schon beeindruckend - ist das schon das Ende?
[25.Kh1 Dann taucht auch noch
ein Turm auf g1 auf - und der hat keine freundlichen Absichten!]
25...Lh3 Es faellt auf,
dass der schwarze Koenig voellig ohne Schutz(figuren) sein Dasein fristet. Die weissen Angreifer sind
dagegen nicht allein.
[25...Sa3 26.Ld3 Der
Laeufer entzieht sich einfach dem Abtausch - waere ja auch schade nach dem ganzen Aufwand fuer ihn!]
26.fxg7
[26.Sg5! ist sehr effektvoll
- der Lh3 haengt, die Dame greift in an.
26...hxg5
27.Dxh3 gxf6
28.Dh7+ Kf8
29.exf6 Dann hilft nur noch
ein Damenopfer.]
26...Dd7 Es geht um das
Feld f5, Schwarz will (und muss) die Diagonale stopfen.
[26...Lxf1 Keine Zeit fuer
gierige Traeumer
27.Dc2 Alles
ist vorbereitet, ich hoere schon die Materialkiste klappern.]
27.Dc2 f5
[27...Dg4+ Sieht bedrohlich
aus, aber alles nur heisse Luft!
28.Kh1
Dg6 29.Tg1
Dxc2 30.Lxc2
Ta2 31.Lb3
Te2 32.La4
Ld7 33.Sh4 Und
falls der auf h6 auftaucht...]
28.Kh1?
[28.exf6 Te4
29.Lxh6 Lxf1
30.Txf1 Sd8
31.Sg5]
28...Ta3?
[28...Sa3 29.Dd2
De6]
[28...Lxf1 29.Txf1
Ta1 30.Tg1
(30.Lb2 Sxb2
31.Dxb2 Tea8 Hier
hat Schwarz zumindest noch Schwindelchancen.)
30...b3 31.Dxf5
Dxf5 32.Lxf5
Se7 33.Le6+
Kh7 34.Sh4
b2 35.g8=D+
Txg8 36.Lxg8+
Sxg8 37.Lxb2
Txg1+ 38.Kxg1
Sxb2 Der Wald ist ganz schoen
gerodet - in dieser Stellung enthalte ich mich mal jeglicher Einschaetzung.]
29.Lxa3 Sxa3
30.Dd2 Lxf1
31.Txf1 Die Drohung Dxh6 ist
entscheidend.
31...De6
[31...Sxb1?? 32.Dxh6
Dxg7 33.Dxc6 Eigentlich
sind alle schwarzen Figuren angegriffen, es droht Tg1.]
[31...Te7 32.Dxh6
Txg7 33.e6
De7 34.Lxf5 Und
die Drohung Sg5! ist sehr laestig. Der Springer kann wegen Lh7+ weder vom Turm noch von der Dame genommen
werden.]
32.Lxf5 Das Ende einer spannenden
Partie, in der die Jugend aus Zoerbig keineswegs chancenlos war. Weiss gewinnt nach einer schoenen Schlussoffensive,
die nach 28.Kh1 fast ins Stocken geraten waere. Aber eben nur fast.
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