Kortschnoi, Viktor (2609) - Poetke, Dan-Peter (1935)
Simultan (Fredersdorf), 05.02.2007

[Dan-Peter] [C42]


Ausgangsstellung 1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.Sc3 Der Seniorenweltmeister geht den Russischen Wegen aus dem Weg
3...Lb4 Der einzige Zug mit eigener Bedeutung, alle anderen fuehren in andere offene Spiele, und da fuehlte ich mich nach langer Abstinenz zu unsicher.
4.Sxe5 De7 Mit dem Schlagen auf e5 hatte ich nicht gerechnet. In vielen Russischen Varianten geht es um die e-Linie, also besetzte ich sie. Die Rochade waere etwas besser gewesen, aber ich wollte schnell den Bauern zurueck.
5.Sd3 eigenartiges Feld dachte ich und wurde spaeter eines besseren belehrt.
5...Sxe4?? Ehrlich schmunzelte ich ueber die moegliche Variante 6. Sxb5 Sxc3. Vielleicht sah mein Gegner den alten Witz des Russischen und dachte nicht ueber seine Moeglichkeiten nach?!
6.Le2?? Eine Respektlosigkeit, zu der ich stehe! Der Doppelvizeweltmeister bekommt zwei Fragezeichen!
[6.Sd5 Fritz zeigte in der Analyse diesen Zug, und ich erschrak! Diese Episode zerstoert fuer mich die ganze Partie. Nach 6 Zuegen haette ich die Partie aufgeben muessen, eine Partie, auf die man sich riesig gefreut hat. Womit ist es zu erklaeren? Gedankenlosigkeit in der Eroeffnung? Mangelnde Spielpraxis? Womit ist der Fehler beim Seniorenweltmeister zu erklaeren? Ich hatte schon waehrend der Partie bei 5. Sd3 das Gefuehl, dass der Grossmeister life spielen musste und aus dem Eroeffnungsbuch war (ueberlegte einen Moment an Sd3). Etwas zur Entschuldigung der Aktiven: Die Partie habe ich einigen Spielern ueber 2000 gezeigt, keiner kam auf die Idee, dass etwas faul ist. Beim Schachfruehstue ck sah es auch der Obertaktiker Bernd Domsgen nicht. Die Stellung scheint also Schachblindheit zu foerdern. UNFASSBAR! Am 10.02. habe ich die Stellung FM Ralf-Axel Simon gezeigt. Er sagte, er haette Le2 gezogen. Auch auf den 2. Blick sah er nicht Sd5. Seine Erklaerung des schachlichen Denkens, jeder Schachspieler sieht sofort die Gefahr des Damenverlustes nach Sxc3+, das typische Russische Motiv. Man unternimmt einen natuerlichen Zug dagegen, in einer richtigen Partie passiert so etwas nicht!]
6...Lxc3 7.dxc3 O-O 8.O-O Wieder gruebelte Kortschnoi und entschied sich fuer die Rochade. In der Regel wird der Schwarze bei dieser weissen Bauernstruktur mit der langen bedacht.
8...d5? Der 2. gedankenlose Eroeffnungszug. Im Russischen ist d5 ein Standardzug, doch haette ich einmal die konkrete Stellung beurteilen sollen.
9.Sf4 Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Weiss befreit sich vom Doppelbauer (der in diesem Falle nach Nimzowitsch keine Schwaeche ist, Weiss zwingt mich zu c6, wonach der Springer b8 zum Problemkind wird, der weisse Springer kann sich auf dem untypischen Springerfeld sonnen.)
9...c6 10.c4
[10.Te1 ich hatte auch c4 erwartet, Te1 erscheint staerker]
10...dxc4 11.Lxc4 Lf5 Ich hatte über einige aktive Zuege nachgedacht und entschied mich nach dem alten Rat, den Herbert Grossmann gab: Wenn es nichts Zwingendes gibt, verbessere die Aufstellung einer Figur. Im speziellen Fall wollte ich die Entwicklung abschliessen. 11. ... Te8 war objektiv etwas besser.
12.Ld3 Sd6 13.Te1 Df6 14.Lxf5 Nie haette ich erwartet, dass Weiss feiwillig sein Laeuferpaar gibt. Es ist allerdings fuer den Simultanspieler schwer seine Gegner einzuschaetzen, und vielleicht wollte er mir die Chance zu Dxf5 geben.
14...Sxf5 15.Ld2 Sa6
[15...Td8 das war meine Uridee auf Ld2, zum Glueck schaute ich intensiver hin, danach fehlte mir die Zeit endgueltig Dxb2 zu bewerten, denn in den ersten zwei Stunden bedeutete Durchwinken Partieverlust (Hauptschiedsrichter Holger Borchers).
16.Lc3 Txd1 17.Taxd1]
[15...Dxb2 16.Tb1 Dxa2 17.Txb7 waere gegangen, doch Weiss spielt hier 17.Lb4]
16.Lc3 Dg5 17.Df3 Tfe8
[17...Sh4 Dies nicht gezogen zu haben wurde ich kritisiert und musste mich erklaeren, doch die folgende Variante fand ich schlecht fuer mich.
18.Dg3 Dxg3 19.hxg3 Sf5 20.g4 Sd6 21.Sh5 f6 22.Tad1]
18.g3 Sc5 mein Sorgenkind sollte seinen Wert erhoehen, ich stellte ihn mit besonderer Obacht auf ein ungedecktes Feld, weil es mir aktiv erschien.
19.Kf1 Sa4?! verstaendlicherweise will ich den Bullen abtauschen.
[19...Sd6 der richtige Zug, ich kaempfe um das Feld e4, und habe mit diesem Stuetzpunkt Ausgleich.]
[19...Se6 ueber diese Variante dachte ich lange nach und war zu der Einschaetzung gekommen, dass es fuer Remis reicht. Am Nebenbrett sah ich aber, wie Kortschnoi Herbert im Endspiel massierte und hoffte deshalb mit der Partiefortsetzung klar zu kommen.
20.Sxe6 Txe6 21.Txe6 fxe6]
20.h4 Dh6
[20...Dd8 diesen Zug verwarf ich sofort wegen Tad1, dachte aber nicht weit genug.
21.Tad1 Db6]
21.Le5 dieser Zug tat weh, denn es macht Sa4 zum Tempoverlust.
21...Sc5 22.Sh5
[22.Dg4 genauer]
22...Dg6 23.g4 eine partieentscheidend e Situation! Ich haette dem Grossmeister Tad1 vorgschlagen. Fritz empfiehlt Sf4 das Remis zu forcieren, auf so eine Idee kommt aber Kortschnoi nie. Sicher war er sich bei diesem Zug nicht, die Koerpersprache signalisierte mir, er hat nichts Zwingendes.
23...Sxh4
[23...Sh6 24.Lxg7 Sxg4 25.Dxg4 Dxg4 26.Sf6+ Kxg7 27.Sxg4]
[23...Sh6 ueber diesen Zug habe ich nicht nachgedacht, dabei haelt er die Stellung. Die Gefahr Lg7 liess mich erzittern.]
24.Dg3? der Anfang vom Ende!
[24.Dh3 Weiss behaelt Vorteil
24...Dxc2 25.Dxh4 Sd3 so wollte ich im trueben fischen, doch der mit staerkste Spieler der 70iger, achtziger Jahre hilft mir mit seinem Fehler wieder auf die Beine.]
24...Se4! eine nette Unterbrechung ist der Wendepunkt der Partie.
25.Df4?!
[25.Dxh4!? Txe5 26.Tad1 und Weiss bleibt auch mit Minusbauer im Spiel.]
25...Sf3 Nach dem ich die ganze Partie aufgepasst habe, keine ungedeckte Figur zu haben (siehe 5. Zug!), habe ich nun zwei ungedeckte (nicht ausreichend gedeckte) Springer, doch Weiss ist platt.
[25...Txe5]
[25...Sd2+ 26.Kg1 c5 27.Lxg7 Shf3+ 28.Kh1]
26.Lxg7 Mut der Verzweiflung
[26.Txe4 Sd2+ 27.Dxd2 Dxe4]
26...Sed2+ 27.Kg2 Sxe1+
[27...Txe1 28.Txe1 Sxe1+ 29.Kh2 Sdf3+ 30.Kg3 f5]
28.Txe1 Txe1 29.Lc3 nach diesem Zug jubelte ich innerlich endgueltig, nach den Damentausch gewinne ich die Stellung gegen Jeden!
29...De4+ Hellmuth erzaehlte ich von meiner Abtauschidee und er meinte lange Zeit es geht nicht.
30.Dxe4 Txe4 31.Sf6+ die letzten drei Zuege haben wir hintereinander gespielt. Es war eine verstaendliche Taktik von Viktor, durch Stehenbleiben nach dem Zug uns zum schnellen Ziehen zu verleiten. Ich sagte in dieser Stellung: "I need time" und Viktor der Schreckliche" verliess seine Ruine und wandte sich erfreulicheren Brettern zu.
31...Kf8 32.Lxd2 Te2 Viktor gab auf, ich hatte vorher registriert, dass ich nach 33. Lb4+ Kg2 34. Sh4 nach dem schwarzen Feld h6 muss.

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