Apolda: Dramatisches Finale

Der überraschende Turnierausgang in Apolda hat im Netz einige Reaktionen provoziert. So setzt sich Entwicklungsvorsprung mit den Tücken des Schweizer Systems auseinander: "Eine Verkettung von glücklichen Umständen, denn es lief alles regelgerecht ab, machte somit aus einem Amateur den Sieger eines mittelstarken Opens."
Bei Zeitz aktuell heißt es: "Der überraschende Turnierausgang führte, wie nicht anders zu erwarten, sofort zu Diskussionen über den mathematischen Sinn von Turnieren im Schweizer System und über den Wert des Turniersieges als solchen. Wahrscheinlich muss sich der Turniersieger erst öffentlich für seinen Affront entschuldigen, bevor man seine Leistung uneingeschränkt anerkennt."
Es ist nicht ganz klar, ob sich Di Napoli damit auf den Entwicklungsvorsprung-Beitrag bzw. die Kommentare dazu bezieht. Ganz fernliegend ist es nicht. Meiner Meinung nach muss man die Großmeister nicht unbedingt bedauern, die in der letzten Runde Risiko-Minimierung betrieben (Kritz - Gutman ½ (21)). Andererseits zielt der Beitrag von Georgios Souleidis auf eine durchaus vorhandene Systemschwäche ab einer bestimmten Teilnehmerzahl ab. Widersprechen möchte ich, wenn im Rankzero-Kommentar die "zahlungskräftige Zielgruppe der Rentner für die meist assoziierten Hotels" als Hauptmotivation für (zu?) hohe Teilnehmerzahlen genannt wird. Das rückt Apolda unverdienterweise in die Nähe einer Turnierserie, bei der nur fünf Runden gespielt werden. Vielmehr lebt das Apoldaer Open aus meiner Sicht vom Engagement der Veranstalter über viele Jahre hinweg, ein Breitenschach-freundliches Turnier in der Region zu etablieren. Die nur sieben Runden minimieren den Urlaubsaufwand für Berufstätige. Außerdem ist die gewiss nicht zahlungskräftige Jugend traditionell sehr stark vertreten und ebenso gewiss nicht in Hotels untergebracht. Man wird auch in Apolda schwarze Zahlen schreiben wollen, aber ich könnte viele Beispiele nennen, wo man auf "leichtes Geld" durch Abzocken von Teilnehmern und Zuschauern verzichtet.
Ein gewisser Glücksfaktor bei der Auslosung mit 238 Teilnehmern/7 Runden ist sicher nicht zu leugnen. Das Aufteilen des Feldes in Gruppen würde aber möglicherweise die Motivation der B-Gruppler drastisch senken, weil man sich ja auch mal an einem deutlich stärkeren Gegner versuchen möchte. Alles schafft man nicht ...
Was ich hier unbedingt noch erwähnen wollte: Der andere Amateur – Paul Zwahr – war für mich der tragische Held des Turniers. Überzeugende Siege gegen die stärkeren Joachim Brüggemann und Paul Hoffmann, ein ausgekämpftes Remis gegen GM Kritz und ... die Letztrundenpartie ...
Dank an Normi für einige Varianten. Die Analysen nehmen nicht für sich in Anspruch, vollständig und korrekt zu sein und schon gar nicht, dass man alles hätte leicht am Brett finden können.

Brock, Friedemann (2236) - Zwahr, Paul (2250)
16th VR Bank Open 2007 (Apolda), 26.08.2007

[E98]


Ausgangsstellung 26...Lxh3?! mutig und inkorrekt im Sinne der Maschine. Weiss kann aber eine Menge falsch machen und Mensch wird tatsaechlich fehltreten.
27.gxh3 g4 28.fxg4 hxg4 29.hxg4?? Toedliche Oeffnung der h-Linie
[29.Sxb7 ergibt einen netten, wenn auch im Grunde ueberfluessigen Variantenblock, da 29. Le1 wohl der pragmatischere Zug ist.
29...gxh3+ 30.Kh1 Tg2 31.Dd3! Die Alternativen sind schwaecher:
(31.Txc7 Dg5 32.Lf3 Sg4 33.Le1 (33.Tc8+?? Kh7- +) 33...Txc2 34.Txc2 Se3 35.Tg1 Dxg1+ (35...De7 36.d6! Dxb7 37.Tc7 und Schwarz muss die Dame zurueckgeben, allerdings immer noch mit voellig unklarem Ausgang, da z. B.
37...Dxc7 38.dxc7 Tc8 39.Le2 das Nehmen auf a6 nicht ratsam erscheint
(39.Ld2) 39...Txc7 40.Lxa6 h2! 41.Kxh2 Tc2+ (41...Tc6? 42.Lf1!) 42.Kh1 Tc6- +) 36.Kxg1 Sxc2 37.Lc3 Sxb4!- / +)
(31.Lf3 Dg5 32.Le1!? (32.Tc6?! Sg4!- +) 32...Txc2 33.Txc2Unklare Stellung)
31...Dg5 32.Dxh3 Txe2 33.Tg1 De7 34.Tc6 Txd2
(34...Kh7 35.Lc3+ -)
35.Txg7 Td1+ 36.Tg1 Txg1+ 37.Kxg1 Dg7+ 38.Kf1 Kh7 39.Sc5+ -]
[29.Le1! ist wohl am einfachsten fuer Weiss
29...gxh3+ 30.Kh1+ -]
29...Sxg4 30.Lxg4 Dh4 31.Tf2 Dxg4+ 32.Kf1 Dg1+?? vergibt den Sieg
[32...Th6!! 33.Tg2
(33.Ke1 Th1+ 34.Tf1 Dg3+ 35.Ke2 Dg2+ (35...f3+ 36.Txf3 Th2+ 37.Kd1 Dxf3+ 38.Kc1 Df1+ 39.Kb2 Txd2- +) 36.Tf2 f3+ 37.Kd3 Dxf2+ -)
33...Th1+ 34.Kf2 Dh4+ 35.Ke2 f3+ 36.Kxf3 Dh3+ 37.Tg3 Tf8+- +]
33.Ke2 f3+ 34.Txf3 Lh6? und das auch noch das Remis mit Moeglichkeiten auf mehr.
[34...Tg2+ 35.Kd3 Lh6 36.Se6! haelt den Laden einigermassen zusammen.
(36.Sb3? Tg3! 37.Kc3 (37.Txg3 Dxg3+ 38.Ke2 Tf8! 39.Dc3Einziger Zug Dg4+ 40.Kd3 Tf3+ 41.Kc2 Txc3+ 42.Kxc3 Df3+ 43.Kb2 (43.Kc2 b5- +) 43...Lxd2 44.Sxd2 Dd3- +) 37...Txf3+ 38.Kb2 Tf2 39.Dd3 (39.Txc7 Lxd2 40.Sxd2 De1- +) 39...Tg8 40.Tc2 Tg3 41.Dc4 Txb3+ 42.Dxb3 Txd2 43.Txd2 Lxd2- +)
(36.Sxb7? Tag8! mit der Idee T8g3 und Gewinn
(36...Dh1?! fuehrt nur zu einer etwa ausgeglichenen Stellung.
37.Tc3 Txd2+ 38.Dxd2 Dxf3+ 39.Kc2 Dxe4+ 40.Dd3 Dxb4 41.Dc4!=) 37.Lxh6 Txc2 38.Kxc2 (38.Txc2 Dd4+ 39.Ke2 Dxe4+- +) 38...Dg2+ 39.Ld2 Dxf3+ -)
36...Txd2+ 37.Dxd2 Lxd2 38.Kxd2 Dg2+ 39.Ke3 Dg1+ 40.Kd2 und Schwarz bleibt wohl nicht mehr als Dauerschach.]
35.Sd3 Tf8 36.Txf8+ Lxf8 37.Sf2 Tf6 38.Le1 Lh6 39.Txc7 Dh2 40.Tc8+ Kg7 41.Tc7+ Kg6 42.Tc3 Dh5+ 43.Kd3 b5 44.axb5 axb5 45.Db1 Txf2 46.Lxf2 Df3+ 47.Kc2 Dxe4+ 48.Kb2

1-0

Erstellt mit PGNtoJS