Partienauswahl JLEM Güntersberge 2006

Der furiose Auftakt unserer Mädchen in der U16 war kennzeichnend fürs weitere Turnier. Gleich zu Beginn eine Überraschung ...

20...a6 21.g4 Db3 22.Lb4 Db1+ 23.Kg2 Sd5 24.Dxf5 Dxf5 25.gxf5 b6 26.Se5 a5 27.Ld6 Sxc3 28.Lc7?! Der erste Schritt vom rechten Weg. Nach
	[28.Sc4 sollte Weiss noch relativ leicht gewinnen.]
28...Sd5 29.Ld8 a4 30.Kf3?? Jetzt ist der Bauer durch ... 30...a3 31.Ke4 Sf6+ 32.Kd3 a2 33.Lxb6 a1=D 34.Sc4 Sd5 35.Lc5 Df1+ 0-1

Zeit, die Landesmeisterin zu würdigen. Josis aggressive Spielweise behagte den meisten nicht.

1.d4 e6! 2.c4 d5 Schon haben wir ein lupenreines Franzoesisch auf dem Brett! 3.Sc3 Sf6 4.Sf3 Le7 5.Lf4 Ld7 6.e3 Lc6 7.Ld3 Sbd7 8.Tc1 Se4 9.Lxe4 dxe4 10.Sd2 Sf6 11.Dc2 Lb4 12.O-O Sh5 13.Se2 f5 14.Tfd1 g5 Den Mutigen gehoert die Welt. Leider spielte Stratov im anderen Raum. 15.Le5 Tg8 16.Sf1 Ld6 17.Lxd6 Dxd6 18.c5 De7 19.Sfg3 Sf6 20.b4 h5 21.a4 h4 22.Sh1 Sh5 23.b5 Ld7 24.Dd2 c6 25.Tb1 Df7 26.Sc3 Dg6 27.bxc6 bxc6 28.Tb2
	[28.Tb7! und wenn Schwarz wie in der Partie fortsetzt, liegen Opfer auf d5 in der Luft. Die Stellung erfordert von Weiss energisches Vorgehen, was Christine wohl nicht so behagt. 28...f4 29.d5 exd5 30.Sxd5 cxd5 31.Dxd5]
28...f4 29.Tdb1 Ke7 30.Dd1 g4 31.De1 g3 32.fxg3 f3 33.gxf3 exf3 34.e4 hxg3 35.hxg3 Taf8 36.Df2 Sf4 37.Kf1 Sd3 38.Dg1 Sxb2
	[38...e5 ist auch nicht von schlechten Eltern.]
39.Txb2 Dg4 40.Kf2 Dh4 Am Ende scheint die Notation nicht mehr zu stimmen. Wir haben auch schon geraetselt und es nicht rausbekommen. Wer den Schluss fuer moeglich haelt: Warum sollte Weiss nach 43...Kd8 aufgeben? 41.Kf1 Tg7 42.d5 Tfg8 43.d6+ Kd8 0-1

Gerade noch rechtzeitig, um das Ende der Entscheidungspartie und den Landesmeistertitel seiner Tochter live zu erleben, kam unser Präses vor Ort an. Hier seine Kommentare:

Die Ausgangssituation war klar: Susann Domaske fuehrte vor der letzten Runde mit einem halben Punkt Vorsprung. Nur ein Sieg wuerde Josephine den Landesmeistertitel bescheren. Psychologisch hatte es wohl die Anziehende leichter, denn das Ziel war klar abgesteckt, waehrend fuer Schwarz ein Remis reichen wuerde. Ein Unentschieden als Ziel verfuehrt zu schnell zur Unkonsequenz. 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 Nun ist die Grundstellung der "Italienischen Partie" ereicht. Erstmals 1490 in der "Goettinger Handschrift" erwaehnt, erhielt sie durch die theoretische Aufarbeitung von Polerio (1590) und Greco (1619) ihren Namen. 4.c3 Mit diesem Zug, der "Klassischen Variante", ist Weiss bestrebt einen nachhaltigen Druck durch den spaeteren Bauernvortoss d4 auf das Zentrum vorzubereiten. Andere Moeglichkeiten waeren noch 4. d3, die ruhige Fortsetzung, die deshalb auch "Giuoco pianissimo" gennant wird, oder das auch in unserer heutigen Zeit noch sehr beliebte Evansgambit 4. b4 4...Sf6 5.d4 exd4 6.e5
	[Gebraeuchlicher ist 6.cxd4 Lb4+ 7.Sbd2
		(Abzuraten ist von 7.Ld2 Sxe4 8.Lxb4 Sxb4 9.Lxf7+ Kxf7 10.Db3+)
	7...Sxe4 8.d5 Sa5 9.Le2]
6...Sg8 Solch ein Tempoverlust in einer offenen Stellung kann ueberaus nachteilig, wenn nicht sogar toedlich sein.
	[6...d5 7.exf6 dxc4 8.fxg7 Tg8 9.cxd4 Lxd4 10.O-O mit vielen wirren Varianten und Abspielen.]
7.cxd4 Lb4+ 8.Ld2 Lxd2+ 9.Sbxd2 f6
	[Immer geht noch 9...d5]
10.O-O fxe5 11.Te1 e4
	[11...d6 12.dxe5 d5 13.Ld3 Sge7 14.e6 und dem Weissen stehen alle Moeglichkeiten zur Verfuegung.]
12.Sxe4 Sge7
	[12...d5 13.Sd6+ Kd7
		(13...Kf8 14.Te8+)
	14.Sf7]
13.d5 Sa5 14.d6 cxd6
	[14...Sxc4 15.dxe7 Dxe7 16.Sc3 mit Damengewinn.]
15.Sxd6+ Kf8 16.Dd4 mit der Idee im naechsten Zug von f4 das Matt herbeizufuehren
	[Auch 16.Sg5 oeffnete der Damen den Weg zum schnellen Sieg.]
16...Sf5 Ein Verzweiflungszug, der allerdings das Partierad nicht mehr zurueckdrehen kann. 17.Sxf5
	[17.Dd5!]
17...Df6 18.Dc5+ und Schwarz gab sich geschlagen. 1-0

Es folgen drei Flori-Beispiele – allesamt für Punkte gut. In der Tat haperte es u. a. an den Endspielen, vielleicht lag es auch an der Dauerbelastung in langen, komplexen Partien und ganz sicher an mangelnder Erfahrung.
Gegen Florian Brüggemann erarbeitet sich Flori nach guter Partie ernste Gewinnchancen im Endspiel, die er nicht ganz umsetzen kann. Immerhin gelingt ihm aber gegen diesen Gegner die Punkteteilung, was zuletzt – na Sie wissen schon ...

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Ld3 c5 6.c3 Sc6 7.Se2 cxd4 8.cxd4 Le7 9.Sf3 f6 10.exf6 Sxf6 11.O-O O-O 12.b3 Ld7 13.Lb2 Tc8 14.Te1 Lb4 15.Sc3 Te8 16.Dd2 a6 17.a3 La5 18.b4 Lc7 19.Sa4 Sxd4 20.Sxd4 e5
	[20...Lxa4 21.Sxe6 Dd7 22.Sxc7 Txc7 23.Txe8+ Dxe8 loest die schwarzen Probleme ebenfalls nicht vollstaendig.]
21.Sc5! exd4 22.Sxb7
	[22.Lxd4]
22...Lxh2+ 23.Kxh2 Sg4+ 24.Kg1 Dc7 25.g3 Dxb7 26.Lxd4 Sh6 27.Dg5 Lb5 28.Lxb5 axb5 29.Tac1 Txc1 30.Txc1 Df7
	[30...Dd7]
31.Tc5
	[31.Tc6! gewinnt den Bd5 mit Schach, da der Springer kein Feld hat.]
31...Sf5 32.Df4 h6 33.g4 Te1+ 34.Kh2 Sxd4 35.Dxd4 Te4 36.Dxd5 Dxd5 37.Txd5 Txg4 38.Txb5 Kf7 39.a4 Tg6 40.a5 Ke7 41.Tb6? Schade.
	[41.Tb7+ und unser Flori waere dem Sieg sehr nahe gewesen. Man koennte eine Abneigung gegen Turmendspiele vermuten, wenn man auch noch das folgende Beispiel gesehen hat ...]
41...Txb6 42.axb6 Kd7 43.Kg3 Kc6 44.Kf4 g6 45.Ke5 Kxb6 46.Kf6 h5 47.Kg5 1/2-1/2

55.Txd6+?? Ich habe die Partie nicht vor Ort gesehen und weiss daher nicht, ob moeglicherweise die finale Zeitnot Flori zu dieser drastischen Massnahme verleitet hat. Nach T:b5 haette er jedenfalls ueberhaupt nichts zu befuerchten. 55...Kxd6 56.Ke4 b4 57.Kd3 Kd5 58.Kc2 Ke4 0-1

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Lc4 c5 8.Se2 cxd4 9.cxd4 Sc6 10.e5? Einmal mehr wird der Wert der Eroeffnungsvorbereitung kolossal ueberschaetzt ... Suender ueberlaesst Schwarz bewusst das Feld d5 zugunsten einer Theorieabweichung. 10...O-O 11.O-O Db6 12.Le3 Td8 13.Tb1 Dc7 14.Dc1 Lf5 15.Tb3 Tac8 16.Tc3 Dd7 17.Da3 a6 18.Db3 e6 19.Db2 Sxe5!? ziemlich verpflichtend und aus praktischer Sicht gegen einen so starken Gegner vielleicht fragwuerdig. Aber unbedingt originell und interessant! Risikolos kam Schwarz mit
	[19...Sa5 in Vorteil.]
20.dxe5 Lxe5 21.Lb3 Lxc3? Schade, die Stellung ist zu komplex und das Fehlen des Laeufers wird sich bemerkbar machen. Die Aufrechterhaltung der Fesselung mit
	[21...b5 haette Weiss wesentlich mehr Schwierigkeiten bereitet sich zu koordinieren. Solche Stellungen sind sicher schwer zu beurteilen, aber gefuehlsmaessig steht Schwarz gut. 22.Lb6 Lxc3 23.Sxc3 Dd2 24.Dxd2 Txd2]
22.Sxc3 Dc6 23.Se2 Te8 24.Ld4 Kf8 25.Lg7+ Kg8 26.Lh8 Kf8 27.Dg7+ Ke7 28.Df6+ Kd7 29.Dxf7+ Te7 30.Td1+ 1-0

Was soll man zu Christian sagen? DWZ-Gewinn: 235 Punkte. Natürlich standen einmal das Glück und der tragische Held Biba dem Tüchtigen bei. Aber ansonsten ... Besser als mit weiteren Worten gratuliert man wohl mit der folgenden Partie, die keine Kommentare benötigt.

1.c4 Sf6 2.Sc3 d5 3.cxd5 Sxd5 4.d4 Sxc3 5.bxc3 Lf5 6.g3 Dd5 7.Sf3 Le4 8.Lg2 Sc6 9.O-O O-O-O 10.Lf4 f6 11.Db3 g5 12.Dxd5 Txd5 13.Ld2 g4 14.Sh4 Lxg2 15.Sxg2 h5 16.e4 Td7 17.Tfd1 e5 18.Le3 La3 19.Tab1 Thd8 20.d5 Sa5 21.Lc1 Lxc1 22.Tbxc1 Sc4 23.Sh4 c6 24.Sf5 Kc7 25.Kg2 cxd5 26.exd5 Txd5 27.Txd5 Txd5 28.Sg7 e4 29.Se8+ Kc6 30.Sxf6 Te5 31.Te1 e3 32.fxe3 Txe3 33.Txe3 Sxe3+ 34.Kg1 Sd5 35.Se4 b5 36.a3 a5 37.Kf2 b4 38.axb4 a4 39.c4 Sxb4 40.Sc3 a3 41.Ke3 Kc5 42.Se4+ Kxc4 43.Sd2+ Kd5 44.Sb3 a2 45.Sa1 Kc4 46.Kd2 Kd4 47.Sb3+ Ke4 48.Kc3 Sd5+ 49.Kb2 Kf3 50.Sd4+ Kg2 51.Sf5 Kxh2 52.Kxa2 Sc3+ 53.Kb2 Se2 0-1

Die Überraschung in der U18 ist bekannt. Unbedingt verdient, denn die Partien machten einen guten Eindruck und wer Stratovs Weiß-Aufschlag neutralisieren kann ... Abgesehen von den unnötigen Remisgeboten in einer Must-win-Partie des Favoriten eine reife Leistung von Marius-Florin und interessant dazu.

39.Txb6!? Andere Moeglichkeit zu verkomplizieren, sind kaum zu sehen. 39...axb6 40.Dxd4+ Kg8 41.Dxb6 Kg7 42.e5 Tc8 43.Dd6 So oder so ist es schwer, den noetigen Sieg zu landen, aber danach scheint Schwarz fast forciert in die Remisbreite zu kommen. Irrtuemer in Endspielen wie diesen nicht ausgeschlossen ;-)
	[43.Dd4!?]
43...Dxd6 44.exd6 Kf8 45.Kf3 Ke8 46.Ke4 Kd7 47.Lxf7 Kxd6 48.Kd4 h4! 49.gxh4 Th8 50.c5+ Kc6 51.Lxg6 Txh4 52.Le8+
	[52.Le4+ Kc7 53.f5 Txh3 54.f6 ist wohl das Beste, was Weiss erreichen kann. Wie die folgenden Beispiele zeigen, aber wohl nicht genug. Um etwas probieren zu koennen, muessten die Bauern schon deutlich weiter vorn stehen (oder weiter auseinander?). Laut Awerbach hat die Laeuferpartei dann Gewinnchancen, wenn der Koenig den Bauern wirksam unterstuetzen kann, der vom Turm aufgehalten wird. 54...Th8 55.Ke5 Te8+ 56.Kf5 Tf8 57.Kg6 Tg8+ 58.Kh7 Tb8 59.Kg7 Kd7 60.c6+ Kd6 61.f7 Ke7 62.Lf5 Tf8 63.Le6 Ta8 64.Ld5
		(64.c7 Kxe6)
	64...Tf8 65.Lc4 Tc8 66.c7 Tf8 67.Le6 Txf7+]
52...Kc7 53.Ke5 Txh3 54.Kf6 Kd8 (=) 55.La4 Tc3 56.c6 Tc4 57.Lb5 Txf4+ 58.Ke5 Tf2 59.Kd6 Td2+ 60.Kc5 Kc7 1/2-1/2

Hier noch einige Beispiele zu diesem Endspiel. Selbst bei vorgerückten Bauern musste die Turmpartei hier noch kooperativ sein, um den Gewinn zu ermöglichen.

58.Kb3??
	[58.Th8 Kg4 59.Kb3 Lh4 60.Tg8+ Lg5 61.Th8]
58...h2 59.Th8 Kg3 60.Tg8+ Kh3 0-1

Eine saubere Gewinnführung zeigt Awerbach in seinem Endspiel-Handbuch. Die Stellung vermittelt in etwa einen Eindruck, welche Voraussetzungen für die Läuferpartei gegeben sein müssen.

1...f2 2.Tf8 Ke2 3.Te8+ Le3 4.Tf8 Lc1 5.Te8+ Kf3 6.Tf8+ Lf4 0-1

Was sagen unsere Experten dazu? Harald kann immerhin darauf verweisen, das Endspiel zweimal kurz hintereinander in einem Turnier geübt zu haben. Auch wenn der Charakter des Endspiels mit verbundenen Freibauern natürlich ein anderer ist: Remisschluss von Harald bedeutet wohl auch Stellung remis.

66.Ke4 Kc4 67.Tc1 c5 68.Kf3 Kb3 69.Ke2 Kb2 70.Kd1 Le3 71.Tc2+ Kb3 72.Te2 Ld2 73.Te7 1/2-1/2

50.Tb4 Lf4 51.Tb5+ Kg6 52.Tb4 Kg5 53.Ta4 f5 54.Ta8 Le5 55.Ta5 Kf4 56.Ta4+ Ke3 57.Ta3+ Ke4 58.Ta4+ Kd5 59.Ta5+ Ke6 60.Ta6+ Ld6 61.Ta8 f4 62.Tg8 Kf5 63.Tc8 Lb4 64.Tb8 f3+ 65.Kf1 Ld6 66.Td8 Le7 67.Te8 Lh4 68.Th8 Kg5 69.Tg8+ Kf4 70.Tf8+ Kg3 71.Th8 Lf6 72.Th6 Ld4 73.Td6 Le5 74.Ta6 Kf4 75.Ta4+ Ke3 1/2-1/2

Brain heute würde das Endspiel natürlich locker halten. Aber im zarten Alter unserer heutigen u18-Protagonisten ... Eine Jugendsünde ;-)

58...Kg4 59.Ta8 f6+ 60.Kd5 f5 61.Tf8 f4 62.Ke5 h5 63.Ke4 h4 64.Ta8 h3 65.Ta1 h2 66.Tb1 Lh4 67.Tf1 Lf2 0-1

Mit Brain als Kommentator und einer weiteren u18-LEM-Partie schließt sich der Kreis.
Für zusätzliches Material und genauere Anweisungen zu diesem Endspiel konsultiere man die einschlägigen Werke. Oder besser gleich Robert O., der es den Seinen an einem langen, kalten Donnerstagabend vermutlich schon nahe gebracht hat ...

53.Kxd5? Danach ist es sofort aus.
	[53.Tf6! Weiss kontrolliert die 6.Reihe. Auf b3 folgt Kc3 und der f-Bauer kann ebenfalls nicht ziehen 53...Kb7
		(53...b3 54.Kc3 Lb5 55.Kxb3 Ld3 56.Kc3 Le4 57.Kd4)
		(53...Lb5 54.Txf5 Lc4 (54...b3 55.Txd5) 55.Kc5! b3 56.Tf7+ Kc8 57.Kc6 Und Weiss wird nicht verlieren.)
	54.Kxd5 b3 55.Kc5 Und mittels Tb6 ist der b3 leicht aufzuhalten.]
53...b3 54.Tg8 b2 55.Tg1 Lc6+ 0-1