Unmittelbar nach dem Turnier war ich relativ sicher, nichts Kommentierungswürdiges im Gepäck zu haben. Ein Nachteil, wenn man selbst spielt, ist ja auch, dass man die wirklich interessanten Partien nicht mehr so recht verfolgen kann. Schließlich noch die Bedenkzeit von 1h pro Spieler/Partie.
Dann zeigte mir aber Fritz diese kurze Variante zum Schluss und ich beschloss doch zu kommentieren. Dabei enthält die Partie natürlich jede Menge feiste Fehler ...
Allianz-Open Leipzig (1h), 31.07.2004
[Riker] [D82]
1.d4 Sf6
2.c4 g6
3.Sc3 d5
4.Lf4 Lg7
5.Da4+ Ein seltenes Abspiel -
ich kannte es nicht (woraufhin mein Gegner anschliessend fast beleidigt war. "Wie, Sie spielen Gruenfeld-Indisch und kannten DAS nicht??") Allerdings ist es auch ohne Detailkenntnis nicht fernliegend, dass Schwarz aufgrund des unterentwickelten
weissen Koenigsfluegels unter Bauernopfer(n) vorgehen kann und haeufig auch muss. Die Hauptfortsetzungen sind 5.e3 oder 5.Sf3.
5...Ld7
6.Db3 Sc6! Das
Rufzeichen stammt von Botwinnik/Estrin und ist vorbehaltlich der Einschaetzung zu 6...c5.
[6...Lc6? 7.e4 scheint
ein haeufiger Fehler der Schwarzen zu sein, weshalb Weiss wohl immer mal zu 5.Da4+ greift. Mein Gegner
wies mich nach der Partie darauf hin. Bei der 13. DDR-Meisterschaft 1963 in Aschersleben griff Wolfgang
Uhlmann auf diese Weise gegen einen anderen Dresdner (Manfred Kahn) fehl. Offenbar war das Grund genug,
die Variante sechs Jahre spaeter beim Zonenturnier selbst als Weisser zu spielen. Schwarz reagierte nicht
mit 6... Lc6, sondern mit 6...d;c (was ebenfalls nicht vollwertig sein duerfte) und verlor. Die Partie
gegen Kahn leitete damals eine ungewoehnliche "lange Rochade" von Uhlmann ein, die er allerdings
durch fuenf Siege en suite (gegen Detlef Neukirch, Juergen Maedler, Anton Csulits, den spaeteren DDR-Meister
Guenter Moehring sowie Siegfried Muehlberg) wettmachte. Dann folgte die erneute Bremse gegen Heinz Liebert
(Niederlage) und Burkhard Malich (Remis) ... Kleiner historischer Exkurs am Rande :-)]
[6...c5!? ist laut meinem Gegner
der "richtige Zug". Ich habe nur eine Partie (schneller Schwarzsieg) gefunden, die natuerlich
bei weitem nicht alle Fragen beantwortet. Er sprach ferner noch von einem schwarzen Figurenopfer fuer
vier Bauern in dieser Variante. Weiss jemand Naeheres? Wie auch immer erscheint 6...Sc6 zufriedenstellend
fuer Schwarz.
7.dxc5 Sa6
8.Sf3 Da5
9.e3 Sxc5
10.Dc2 Lf5
11.Dc1 dxc4
12.Lxc4 Ld3
13.Lb3 Sfe4
14.Sd2 Sxc3
15.bxc3 Lxc3 0-1
in Dominguez - Martin, Las Palmas 1994]
7.e3
[7.Dxb7 Tb8
8.Dxc7 Dxc7
9.Lxc7 Txb2
10.
7...dxc4?!
[7...Sa5 wird nahezu ausschliesslich
gespielt - mit guten Ergebnissen fuer Schwarz. Daher ist es womoeglich objektiv vorzuziehen.
8.Db4
Sxc4 9.Lxc4
dxc4 10.Dxb7
Db8!]
8.Dxb7
[8.Lxc4!?]
8...Tb8 9.Dxc7
Dxc7 10.Lxc7
Txb2 11.
[11.Lxc4 Lf5
12.Sge2 Sb4
13.
11...Tb7 12.Lg3
[12...Sa5 ist ganz sicher zufriedenstellend
fuer Schwarz, aber die c-Linie lud noch einmal zum Bauernopfer ein. Ich wollte den Springer zudem moeglichst
aktiv auf b4 platzieren.]
13.Sf3
[13.Lxc4 Sa5!
(13...Tc8? 14.La6
Sxd4 15.Td3
Txc3+ 16.Txc3
Tb6 17.Ld3)
14.Lb3
(14.Ld5 Sxd5
15.Sxd5 Tc8+
16.Kd2 Sc4+
17.Ke1 Lc6
18.e4 La4)
14...Tc8 15.Sge2
Se4 16.Kb2
Sxc3 17.Sxc3
Le6]
13...Sb4 14.Td2
Sd3+? Nimmt den vorhergehenden
weissen Zug nicht ernst genug und uebersieht den naechsten. Die Wendung ... Sd3+ ist gut, wenn Weiss
nicht ohne Weiteres nehmen kann und so die Entwicklung vorantreibt. Genau das geht aber leider. Im Uebrigen
bestand kein Anlass, eine schnelle Entscheidung zu suchen.
[14...Tc8 Das Aufrechterhalten
der Spannung ist m. E. unangenehm fuer Weiss, der sich nicht natuerlich mit Le2 entwickeln kann, wie
die Variante zeigt.
15.Tb2
(15.Le2? Sd3+
16.Kd1 Se4)
15...Tb6 deckt den Turm
und erneuert damit die Drohung ...Sd3+, da Weiss hier wiederum nicht nehmen duerfte.
16.Kd2
Sfd5 Schwarz steht sehr angenehm,
mindestens wohl =+]
15.Lxd3 cxd3
16.Tb2! Eine klare psychologische
Wende. Weiss ist alle Sorgen am Damenfluegel und den schlechten Lf1 los. Schwarz kommt nicht rechtzeitig zu ...Tc8. Mittelfristig droht der Bd3
verloren zu gehen. Vielleicht kann man mit dem Laeuferpaar noch Remischancen geltend machen, aber natuerlich
ist es kein Vergleich zur Lage vor ...Sd3+.
[16.Txd3?? Lf5 waere
wahrlich zu einfach.]
16...Lc6 17.Txb7
Lxb7 18.Kd2
Se4+ 19.Sxe4! Sichert
vor dem Nehmen des Bauern die c-Linie und ist gewiss nicht schlechter als K:d3.
19...Lxe4
20.Tc1 Td8 Jetzt
ist gegen Se1 kein Kraut gewachsen, aber Weiss entscheidet sich, zuvor ...e5 ein weiteres Mal zu verteidigen,
um das Motiv aus der Stellung zu nehmen. Schliesslich macht er es aber gerade salonfaehig ...
21.Tc5?
[21.Se1 e5
22.Lxe5 Lxe5
23.dxe5 u.
a. mit d er Idee f3, und der Kaese waere gegessen, um mit Di Napoli zu sprechen.]
21...Lf8 Jetzt ist es wohl
schon wieder unklar. Wegen der geschenkten zwei Tempi bekommt Schwarz ploetzlich Gegenspiel. Mit 1 Minute
Restzeit war ich allerdings bereits jenseits von Gut und Boese.
22.Se1?
e5! 23.Txe5?! Noch
ein dritter Fehler. Weiss musste wohl die Qualitaet geben (23.L:e5) oder doch zumindest Material. Schwarz
ist hier in jedem Fall wieder oben auf, aber nun haette es schoen werden koennen. Der Taktiker moege
sich mal eben zuruecklehnen und die kurzzuegige Loesung des Stellungsproblems finden.
23...Lb4+
24.Kd1 Lc6??
[24...Tc8!! Einfach und faszinierend.
Weiss muesste die Qualitaet geben und ist verloren.
25.Txe4 verliert
am schoensten. Man kann sich leicht davon ueberzeugen, dass auch andere Zuege nicht helfen.
(25.Sf3 Lc6 und
die Mattdrohung erzwingt erneut das hoffnungslose Tc5.)
25...Tc1+!
26.Kxc1
d2+]
25.Sxd3 La4+
26.Ke2 nach einigen weiteren
Blitzzuegen ...
1-0