Der Saale-Schachbund (8)

Aufstieg und Untergang des bedeutendsten Schachverbandes in Mitteldeutschland

Von der Bundesversammlung zum Kongress (4)

Vom 17. bis zum 18. Juni 1900 kam im Cafe Hohenzollern in Magdeburg die 18. Bundesversammlung zur Austragung. Mit Magdeburg-Buckau51) konnte ein weiterer Verein in die Reihen des Bundes aufgenommen werden.
Das Hauptturnier wurde bei insgesamt acht Teilnehmern ausgetragen. Als Gruppensieger behauptete sich der Eisenbahnsekretär und Präsident des Thüringer Schachbundes Ehrentraut aus Erfurt vor Wermser aus Staßfurt. Die andere Gruppe gewann der Gymnasiallehrer und Schriftführer des Magdeburger Schachklubs Schollwer vor dem Dessauer R. Hering. Ein Stichkampf unterblieb. Es wird berichtet, dass einige fällige Hängepartien während einer gemeinsamen Tour zum Ausflugslokal "Herrenkrug" erledigt wurden.
Beide Gruppensieger erhielten als Preise wertvolle Silbergegenstände überreicht. Das Startgeld für die Teilnahme betrug 2,50 Mark.
In der Generalversammlung wurde beschlossen, "... dass in Zukunft die Turniere möglichst an einem Tage beendet werden sollen und deshalb in Gruppen von höchstens vier Teilnehmern gespielt wird".52)

1901 veranstaltete Zerbst die 19. Bundesversammlung. Am 23. Juni war das "Rebhuhnsche Gartenlokal" Austragungsort.
Im I. Hauptturnier sicherte sich der Staßfurter Kaufmann Wermser den Titel. Bekannt ist auch noch der Turniersieg des späteren Meisterspielers Preuße aus Roßlau im II. Nebenturnier.
Die Versammlung beschloss, im kommenden Jahr das 20jährige Bundesjubiläum ganz groß zu feiern. Als Austragungsort bestimmte man wegen seiner zentralen Lage Halle.
In diesem Jahr war auch der Schachklub Staßfurt-Leopoldshall53) zum Bund gestoßen.

Die 20. Bundesversammlung 1902 fand in Halle statt. Nach Dr. Kiok ist gerade über diese groß angekündigte Veranstaltung in den einschlägigen Schachzeitungen nichts zu finden. Nach einer Mitteilung des Fabrikbesitzer Franz Wermser aus Staßfurt an Dr. Kiok erfahren wir einige weitere Einzelheiten, denn er schreibt: "1902 war in Halle ein stark besetztes Turnier. Teilnehmer waren u. a. von der Leipziger "Augustea" die Herren Gregory und Lowtzky, welche später als Meister bekannt geworden sind."54)
Nach einer überlieferten Partie zwischen Kircher / Leipzig und Rosenbaum / Dessau können zwei weitere Turnierteilnehmer belegt werden.

Johann Melchior Kirsch Die 21. Bundesversammlung fand am Sonntag, dem 14. Juni 1903 in Löberitz statt und wurde mit dem Stiftungsfest des Löberitzer Schachclubs verbunden. Es war nun immerhin schon das 32. Hier konnte mit Pastor Johann Melchior Kirsch55) aus Ammendorf auch der Mitbegründer des Löberitzer Schachklubs begrüßt werden.
Vertreter aus Halle, Magdeburg, Staßfurt, Dessau, Quellendorf, Möhlau, Zörbig und Erfurt besuchten den Kongress.
Inzwischen bot sich durch die 1897 eröffnete Bahnstrecke Bitterfeld-Zörbig-Stumsdorf mit den beiden Bahnhöfen in Großzöberitz und Zörbig eine bessere An- und Abreise.
Die Halleschen Schachfreunde reisten vorsorglich schon am Samstag an, um auch schon an diesem Tag bis nach Mitternacht Schach zu spielen und um sich auf den Kongress einzustimmen. Die Generalversammlung wurde 11.00 Uhr vormittags nach einer kurzen Ausschusssitzung vom Bundessekretär F. Tempel aus Halle eröffnet, an deren Ende sich die Turniermeldung anschloss und die Teilnehmer auf die einzelnen Klassen und Gruppen aufgeteilt wurden. Gespielt wurde in drei Haupt- und drei Nebengruppen. Die überaus große Teilnehmerzahl von 32 Schachsportlern war noch nicht einmal im Vorjahr in Halle erreicht worden. Bei vielen lag noch die schöne Jubiläumsfeier aus dem Jahre 1896 in Erinnerung.
Im Preisträger-Hauptturnier siegte Wermser aus Staßfurt vor Rosenbaum aus Dessau und im I. Hauptturnier Bierbach aus Halle. Das II. Hauptturnier wurde von Lederer aus Zörbig vor dem Löberitzer Rudolph gewonnen. Das Nebenturnier I hatte folgenden Endstand: 1. Kaufmann Berger (Quellendorf), 2. Beyerlin (Magdeburg) und 3. Hochheim (Zörbig).
Im Nebenturnier II gab es zwei Gruppen. Dabei kam es in der A-Gruppe zu einem Löberitzer Doppelerfolg. Es siegte Pöckel vor Krause und dem Dessauer Vogt. Die B-Gruppe gewann mit Bäckermeister Hagen ebenfalls ein Löberitzer. Hier belegten Kühne (Möhlau) und Drecksler (Löberitz) die Ehrenplätze. Es gab 15 Preise im Gesamtwert von über 100 Mark. Diese setzten sich aus Kunst- und Gebrauchsgegenständen zusammen. Nach den mühevollen Kämpfen vereinigten sich die Teilnehmer 18.00 Uhr zum Abendessen. Insgesamt waren 80 Personen, darunter 10 Frauen, an die Festtafel geladen. Der fröhliche Tag schloss spät in der Nacht mit einem schnell in Szene gesetzten Tanz. Damit endete für alle ein erlebnisreiches Wochenende.

Konrad Reiß

Fortsetzung folgt

51) Mitgliedschaft endete 1915
52) 50 Jahre Saale-Schachbund, Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 9
53) Mitgliedschaft endete 1915
54) 50 Jahre Saale-Schachbund, Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 11
55) Kirsch, geb. am 6. Januar 1844, brachte um 1866 das Schachspiel nach Löberitz. Zu dieser Zeit war er dort als Hauslehrer angestellt.
Federzeichnungen: Franz Dießner/Halle

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