Der Saale-Schachbund (7)

Aufstieg und Untergang des bedeutendsten Schachverbandes in Mitteldeutschland

Der Saale-Schachbund am Abgrund

Das 13. Bundestreffen fand am 25. Juni 1893 im "Hotel zur Tulpe" in der Saalestadt Halle statt. In einer inzwischen vermutlich verloren gegangenen Bundeschronik wird berichtet: "Die diesjährige Versammlung des Saale-Schachbundes war nur schwach besucht; der Schachklub in Dessau hatte sich aufgelöst, es gehören daher zum Bunde nur noch die Vereine in Eilenburg, Halle, Löberitz, Zerbst und Zörbig mit zusammen 87 Mitgliedern und 9 Einzelmitgliedern, von diesen waren nur 20 vertreten."44)

Beitragsrückstände Unter diesen negativen Umständen wurde auf eine Abhaltung der Generalversammlung verzichtet und nach einem Beschluss des Bundesausschusses auf einen Kongress im kommenden Jahr 1894 verzichtet.
Am Hauptturnier, das Kaufmann F. Zirkenbach aus Halle gewann, nahmen lediglich 5 Schachfreunde teil.
Auch 1895 kam trotz Bemühungen des Bundessekretär L. Thiemann aus Halle kein Kongress zu Stande. Es sah nicht gut aus für das Fortbestehen des Saale-Schachbundes.

Franz Ohme aus Löberitz führte den Bund aus der Krise

In dieser misslichen Lage trat Franz Ohme wieder auf den Plan. Er lud alle Mitgliedsvereine für den 14. Juni 1896 zur 14. Bundesversammlung ein. In der Bundeschronik wird wörtlich vermerkt: "Jedoch der Entschlusskraft von Ohme / Löberitz ist es zu danken, dass die Auflösung unterblieb und am 14. Juni 1896 das 14. Bundesfest in Löberitz steigen konnte."45) Ein weiterer Grund zur Einladung war auch das 25. Stiftungsfest, welches der Löberitzer Schachclub an diesem Tag feiern wollte.

In der Deutschen Schachzeitung und vor allem im Deutschen Wochenschach kündigte man die Feierlichkeiten ausführlich an.
Am Sonntag, dem 14. Juni war es endlich soweit und die Festgäste wurden 10.30 Uhr auf der Bahnstation Stumsdorf empfangen und mit Kutschen abgeholt. Teilnehmer und Gäste aus Leipzig, Halle, Dessau, Zerbst, Brehna, Erfurt, Zörbig und Quellendorf sowie aus den benachbarten Ortschaften, unter ihnen auch mehrere Damen, fanden den Weg nach Löberitz. Clubleiter Franz Ohme begrüßte 11.30 Uhr in der festlich geschmückten "Weintraube" die Anwesenden, vor allem den Bundessekretär des Deutschen Schachbundes, den Schachtheoretiker Dr. Max Lange aus Leipzig, mit einer kurzen Ansprache und eröffnete die Generalversammlung.
Dr. Max Lange Hier wurde Kaufmann Tempel aus Halle für den zurückgetretenen Thiemann zum neuen Bundessekretär gewählt. 12.30 Uhr begannen endlich die von allen ungeduldig erwarteten Turniere. Im I. Hauptturnier, an dem sich sechs Spieler beteiligten, siegte der in Halle studierende Hering vor Rosenbaum aus Dessau. Die interessanteste Partie wurde zwischen Otto Rosenbaum und dem Altmeister Dr. Max Lange gespielt. Letzterer opferte unkorrekt auf c3 einen Springer, was von dem genau spielenden Rosenbaum gründlich widerlegt wurde. Das II. Hauptturnier gewann v. Smolenski vor dem Löberitzer Krause. Auf die folgenden Plätze gelangten Ruprecht (Brehna) und Schildhauer (Halle). Sieger des I. Nebenturniers wurde der erst frischgewählte Bundessekretär Tempel vor den punktgleichen Ohme (Löberitz), Doborenz (Zerbst) und Scherling (Halle). Als Gewinner des II. Nebenturniers ging der Zörbiger Hartwig vor Kühne (Möhlau) und den beiden Löberitzern Rudolf jun. und Hagen hervor. Im sogenannten Tombolaturnier gewannen Carl Encke (Zörbig), Berger (Quellendorf) und Reinhold Schmidt (Zörbig) die Preise. Alle Präsente und Preise wurden vom Bundesmitglied Kaufmann Rosenbaum in reicher und geschmackvoller Auswahl geliefert und auf einer langen Tafel aufgestellt. Max Lange stiftete hierzu noch 20 und der Rechtsanwalt Kähne aus Halle noch 10 Mark.
Nebenbei veranstaltete Dr. Lange ein Lösungsturnier mit einem von ihm gespendeten Preis von 10 Mark. Die fünfzügige Aufgabe löste als erster der Hallenser v. Watzdorf.
Weinkarte Gegen 19.00 Uhr begann das gemeinsame Festmahl. Die Gastgeber hatten hierzu entsprechende Speisekarten drucken lassen. Das Weinangebot des Abends ist uns erhalten geblieben. Unter allgemeinen Beifall konnte ein Glückwunschtelegramm aus dem Harz verlesen werden. Tischlieder und Trinksprüche der Herren Ohme, Kähne, Dr. Lange, Rosenbaum und weiterer Gäste schlossen sich an. Erwähnt muss noch werden, dass der ehemalige Löberitzer Schachfreund, Lehrer Vollbracht, der nun in Erfurt lebte, hier zu Besuch weilte. Ihm wurde ein schönes Erinnerungsgeschenk an die Jubiläumsfeier überreicht. Das Fest endete in ausgelassener Stimmung und für alle viel zu früh gegen 9.00 Uhr, doch die Abfahrtszeit der Züge in Stumsdorf mahnte zum Aufbruch.

Das Handeln Franz Ohmes hatte sich gelohnt, und für Löberitz war der Tag eine gelungene Werbung, für die Teilnehmer wurde er zum bleibenden Erlebnis. So erinnerte sich viele Jahre später der Hauptturniersieger Hering, der inzwischen in Dessau zum Studienrat und Professor avancierte:

"Die Turniere waren damals wesentlich kürzer als die heutigen. Sie fingen gewöhnlich am Sonnabend (nachmittags oder abends) an und mussten bis zum Abendessen am Sonntag beendet sein. Eine feierliche Tafel mit Reden und fröhlicher Unterhaltung bildete den Abschluss des Kongresses und brachte die Teilnehmer sozusagen auch menschlich näher. Auch die Heimfahrt trug häufig zur Erhöhung der Stimmung bei. So erinnere ich mich, dass ich mit meiner großen Ständerlampe, die ich in Löberitz als Preis bekommen und nach Halle schleppen musste, unterwegs viel geneckt wurde."

Dieser Kongress hat die Schachfamilie wieder gefestigt und auch die Krise des Saale-Schachbundes konnte damit überwunden werden.
Für den bisherigen Bundesvorsitzenden L. Thiemann war das zurückliegende Desinteresse am Bundesleben allerdings so groß, dass er seinen Rücktritt bekannt gab. Als Nachfolger wurde einstimmig der Kaufmann F. Tempel aus Halle gewählt.

Die 15. Bundesversammlung fand am 20. Juni 1897 im Restaurant "Fürst Bismarck" in Zerbst statt. Um den Sieg im Hauptturnier kämpften nur drei Spieler. Am Ende gewann Otto Rosenbaum aus Dessau.
In der Hauptversammlung wurde nachfolgende Resolution gefasst: "Die Hauptversammlung unterstützt die vom Vorsitzenden des Thüringer Schachbundes46) Pastor O. Koch in Tröchtelborn geplante Herbeiführung eines Kartells der landschaftlichen Schachverbände untereinander."
Dieser Beschluss wurde noch im gleichen Jahr umgesetzt.

1898 war am 26. und 27. Juni das "Grand Hotel und Wintergarten" in Halle Austragungsort der 16. Bundesversammlung.
Am Hauptturnier beteiligten sich dieses Mal 10 Spieler in zwei Gruppen. Die beiden Sieger E. Hartewig aus Chemnitz und R. Hering aus Dessau unterließen es allerdings, einen Stichkampf auszutragen.
Aufgrund des im Vorjahr zustande gekommenen Kartellverbandes waren auch Vertreter des Thüringer Schachbundes und des Erzgebirgisch-Vogtländischen Schachbundes47) zugegen.
Die Bundesversammlung beschloss eine neue Satzung. Dabei wurde der bisherige § 1 dahingehend abgeändert, dass hinter dem Wort "Saalegebiet" die Worte "Halle a. S." weggelassen worden sind.48)

Die 17. Bundesversammlung fand am 18. und 19. Juni 1899 im Dessauer Restaurant "Wolfsschlucht" statt. Als besonderes Ereignis wird die Stiftung des Landesvaters, ein Pokal mit der Aufschrift "Ehrengabe Sr. Hoheit des Erbprinzen Friedrich von Anhalt", angesehen. Diesen Pokal sicherte sich der Chemnitzer E. Hartewig vor O. Rosenbaum aus Dessau und L'hermet aus Magdeburg.

Hier ist uns sogar die Turniertabelle49) erhalten geblieben:

Platz Name Ort/Verein 01 02 03 04 05 Punkte
1 Hartewig, E. Chemnitz X ½ 1 ½ 1 3
2 Rosenbaum, O. Dessauer SK ½ X 1 0 1
3 L´hermet Magdeburg 0 0 X 1 1 2
4 Hering, R. Dessauer SK ½ 1 0 X 0
5 Pfau   0 0 0 1 X 1

Bei diesem Bundestreffen wurde der Magdeburger Schachklub50) aktives Mitglied des Saale-Schachbundes.

Konrad Reiß

Fortsetzung folgt

44) 50 Jahre Saale-Schachbund, Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 8
45) 50 Jahre Saale-Schachbund, Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 9
46) Der Thüringer Schachbund wurde 1886 gegründet.
47) Der Erzgebirgisch-Vogtländische Schachbund wurde 1885 gegründet und ist Vorgänger des Sächsischen Schachbundes.
48) siehe zum Vergleich auch das Kapitel "Gründung"
49) 50 Jahre Saale-Schachbund, Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 10
50) Die Mitgliedschaft endete 1914.

Federzeichnungen: Franz Dießner/Halle

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