Der Saale-Schachbund (6)

Aufstieg und Untergang des bedeutendsten Schachverbandes in Mitteldeutschland

Von der Bundesversammlung zum Kongress (3)

Café David Die 10. Bundesversammlung fand am 15. und 16. Juni 1890 im "Café David"34) in Halle35) statt. Hier wurde für den nach Erfurt verzogenen Bundessekretär Felix Krauser der Vorsitzende des Halleschen Schachklubs L. Thiemann als Nachfolger gewählt. Dem scheidenden Krauser wurde die Ehrenmitgliedschaft angetragen.
Das Hauptturnier gewann der Sieger der Jahre 1886 und 1887 und inzwischen zum Dr. der Philosophie avancierte Schwarz.

Der 11. Bundeskongress fand am 13. und 14. Juni 1891 wieder in Löberitz statt und wurde vom Dauerregen bestimmt. Das und ungünstige Zugverbindungen auf der Strecke Halle-Magdeburg zum Bahnhof in Stumsdorf hielten viele ab, um zu kommen. Selbst das von den Löberitzern angebotene Abholen mit der Kutsche konnte keine Massenbewegung auslösen.
Es fanden sich 40 Bundesmitglieder und ein Gast ein. Von den 7 zum Bund gehörigen Vereinen waren nur Eilenburg, Zerbst und Bitterfeld nicht anwesend. Dazu kamen noch mehrere Einzelmitglieder aus den unterschiedlichsten Vereinen.
So waren nur 36% der Bundesmitglieder vor Ort. Zur heutigen Zeit wäre das allerdings eine Traumquote.
Zusammen mit dem Kongress feierten die Löberitzer Schachspieler ihr 20. Gründungsjubiläum.Mit der Organisation der Festlichkeiten gab es wenig Schwierigkeiten. Alles war eingespielt, und die Erfahrungen von zwei Jahrzehnten machten sich für Franz Ohme und seine Clubleitung bezahlt. Am Samstag, dem 13. Juni, war es dann soweit. Abends 20.00 Uhr begann die Feier mit einer Versammlung des Schachclubs im Vereinslokal. Die ersten Gäste und Gratulanten fanden sich auch schon ein. Der Löberitzer Oberamtmann Dörries, der die Schachspieler im Dorf häufig unterstützt hatte, wurde hier für sein Engagement zum Ehrenpräses des Vereins ernannt. Am Vormittag des folgenden Tages eröffnete der neugewählte Ehrenpräses in dem mit Birkengrün geschmückten Saal der "Weintraube" den Kongress.
Nach der Generalversammlung folgten die Turniere. Es beteiligten sich 31 Kämpfer. Das I. Hauptturnier, an dem sich vier Spieler beteiligten, gewann Deichmann36) (Halle) vor Seifferheld (Görzig) und Rosenbaum (Dessau).
Der Zörbiger August Lederer siegte vor Zirkenbach und Denicke (beide Halle) im II. Hauptturnier. Im I. Nebenturnier, wo Götze (Halle) und Berger (Quellendorf) sich vorn platzierten, erkämpfte sich der erst dreizehnjährige Richard Krause aus Löberitz einen hervorragenden 3. Platz! Sieger des II. Nebenturniers wurde Hochheim (Zörbig) vor Phillips (Halle) und Thiemann (Zörbig).

Erwähnenswert sind noch einige der wertvollen Preise. So gewann Deichmann eine Reiterstatue, Seifferheld ein Paar gläserne Bierpokale und Lederer eine Standuhr. Im Tombolaturnier gab es 15 Gewinner, von denen Gruber aus Salzfurt37), der blind war und auf einem eigens angefertigten Brett spielte, für Aufsehen sorgte. 18.00 Uhr begann das gemütliche, den Wirtsleuten Pielenz alle Ehre machende, gemeinsame Abendessen. Eine größere Anzahl von Gästen nutzte die Gelegenheit, um Trinksprüche anzubringen oder ihren Dank auszusprechen. Oberamtmann Dörries ließ die Erschienenen hochleben. Otto Rosenbaum dankte im Namen der Bundesmitglieder und der Assessor Kuntze, der zur Zeit in Zörbig wohnhaft war, namens der Gäste. Letzterer fand dabei, auf das Festessen eingehend, folgende, unter jubelnden Beifall aufgenommenen Verse38):

Die Waffen ruhn, des Schachspiels Stürme schweigen,
auf große Schlachten folgt Gesang und Schmaus.
Ich will der Bundesgäste Dank bezeugen
und bringe darum diesen Toast noch aus.
Heil Löberitz, du Ströbeck39) an der Fuhne
wo man bei Pielenz40) Spargel isst mit Wurst!41)
Wie die Giraffe trinkt aus der Lagune,
so löscht in dir der Schächer42) seinen Durst.
Wen einmal nur du gastlich aufgenommen,
vergisst dich nicht, wohin er immer zog; mit Freuden wird zu dir er wieder kommen. Ruft alle drum mit mir: Hoch Löberitz, hoch!!

Zerbst war am 19. und 20. Juni 1892 Austragungsort für den 12. Bundeskongress. Der gastgebende Klub hatte in das Hotel "Fürst Bismarck" geladen. In die Teilnehmerliste des Hauptturniers trugen sich nur drei Spieler ein. Sieger wurde der Jurastudent Paul Lipke vor dem Dessauer Otto Rosenbaum und dem Zörbiger Literaten und Geschichtsschreiber Reinhold Schmidt.
Die am Sonntagvormittag ausgetragene Partie des Turniersiegers gegen Reinhold Schmidt ist überliefert:

P. Lipke44) - R. Schmidt
20. Juli 1892
Damenbauerspiel
Café David 1.Sf3 Sc6 2.d4 d5 3.e3 Sf6 4.Lb5 Ld7 5.0-0 e6 6.b3 Ld6 7.Lb2 0-0 8.Sbd2 Se7 9.Ld3 c6 10.c4 b6 11.Tc1 Sg6 12.Se5 Le5: 13.de5: Se8 14.Dh5 f5 15.Sf3 Sh8 16.cd5: cd5: 17.La3 g6 18.Dh6 Tf7 19.Sg5 Tg7 20.f4 (20.Sh7: ?? Sf7!) 20...Sf7 21.Sf7: Tf7: 22.Tf2 Tc8 23.Tfc2 Tc2: 24.Tc2: b5 (Beide Teile haben nicht gerade vorbildlich gespielt, aber Schwarz hat sich ganz gut herausgelogen. Jetzt gerät er auf Abwege) 25.Lc5 a6 26.h4 Tg7 27.Kf1 Da8? 28.Dg5 Lc6 29.Lb6 Db7 30.Ld8 Dd7 31.Lf6 Sf6: 32.ef6: Tf7 33.h5 d4 34.hg6: hg6: 35.Dg6:+ Kf8 36.Ke2 de3: 37.Ke3: Ld5 38.g4! Th7 39.Dh7: Dh7: 40.Tc8+ Kf7 41.Tc7+ Kg8 (41...Kg6? 42.gxf5+) 42.Th7: Kh7: 43.gf5: Kg8 44.Kd4 Kf7 45.Ke5 aufgegeben

Konrad Reiß

Fortsetzung folgt

34) Bekannte, am 1.April 1804 gegründete Konditorei David in Halle / Saale, Geiststraße 1.
35) Zörbiger Bote, 1890, Nr. 70, S. 2 (Lokale und Provinzial-Nachrichten)
36) Deichmann arbeitete nach Ende seines Studiums als Oberlehrer in Staßfurt und fungierte später als langjähriger Vorsitzender des Zweckverbandes Kölner Schachvereine
37) Nachbarort von Löberitz, jetzt als Ortsteil in die Stadt Zörbig eingemeindet
38) Zörbiger Bote, 1891, Nr. 70, S. 2 (Lokale und Provinzial-Nachrichten), Artikel von R.(einhold) S.(chmidt)
39) Bekanntes Schachdorf bei Halberstadt (Originalfußnote 1)
40) Mitglied des "Löberitzer Schachclubs", Betreiber der Gaststätte "Zur Weintraube" als Nachfolger von Franz Ohme
41) Zweiter Gang der Tischordnung: Spargel mit Frankf. Würstchen. (Originalfußnote 2)
42) Scherzname für Schachspieler. (Originalfußnote 3)
43) Erinnerungen an den Saale-Schachbund, Paul Lipke / Osterburg, veröffentl. in der Broschüre "50 Jahre Saale-Schachbund", Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 25-29

Bildnachweis: Erinnerungen an den Saale-Schachbund, Paul Lipke / Osterburg, veröffentl. in der Broschüre "50 Jahre > Saale-Schachbund", Dr. Kiok / B. Buchholz, Magdeburg 1932, S. 25-29

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