Robert Hübner und seine Spuren im Löberitzer Schachmuseum

Dr. Robert Hübner am Löberitzer Schachdenkmal Am 6. November 2013 feierte Robert Hübner seinen 65. Geburtstag. Das war Grund für viele Autoren in den unterschiedlichsten Publikationen mehr oder weniger tiefgründigen Retrospektiven über Werk und Leben zu veröffentlichen. Sehr umfangreich war der reich bebilderte Beitrag des rumänischen Großmeisters Mihal Marin in der Zeitschrift "Schach" (s. Schach 12/2013 S. 42-56).

Nach dem bisher einzigen deutschen Weltmeister Dr. Emanuel Lasker gilt Hübner als der erfolgreichste Schachspieler Deutschlands. In den Jahren 1970, 1980, 1983 und 1990 nahm er insgesamt vier Mal Anlauf auf den Weltmeisterthron. Am erfolgreichsten war der Kölner im WM-Zyklus 1980.
Im Interzonenturnier qualifizierte er sich in Rio de Janeiro mit einem geteilten 1. bis 3. Platz gemeinsam mit Lajos Portisch (*1937) und Ex-Weltmeister Tigran Petrosian (1929-1984) für das Kandidatenturnier. Hier besiegte er 1980 in dem idyllischen Harzstädtchen Bad Lauterberg den ungarischen Großmeister András Adorján mit 5,5:4,5 (+2,-1,=7).
Das Halbfinale fand dann im italienischen Abano Terme in der Provinz Padua statt. Gegner war die ungarische Schachlegende Lajos Portisch. Diesen besiegte er mit 6,5:4,5 (+2,-0,=9). Die Entscheidung fiel mit einem Doppelschlag in den Partien 9 und 10.

Hübners Schwarzsieg in der zehnten Partie bedeutete das Ende für Portisch. Er versuchte zwar in der elften noch einmal das Blatt zu wenden, doch am Ende besiegelte ein Remis sein Schicksal.

Das Original-Partieformular im Schachmuseum Robert Hübners Originalpartieformular der 10. Partie gehört zu den interessantesten Dokumenten des Schachmuseums Löberitz und ist dort auch zu sehen.

Portisch, Lajos (2655) - Hübner, Robert (2600) [D41]

1.c4 c5 2.Sf3 Sf6 3.Sc3 e6 4.g3 Sc6 5.Lg2 d5 6.cxd5 Sxd5 7.0-0 Le7 8.d4 0-0 9.Sxd5 exd5 10.dxc5 Lxc5 11.Dc2 Lb6 12.Td1 Df6 13.Lg5 De6 14.Lf4 h6 15.Dd3 Td8 16.a4 De7 17.Ld2 Lg4 18.a5 Lc5 19.Tac1 a6 20.Te1 Tac8 21.h3 Le6 22.e3 Lb4 23.Ta1 Dd7 24.Kh2 Lf5 25.Db3 Lxd2 26.Sxd2 d4 27.Sf1 d3 28.Ted1 De7 29.Da3 Sb4 30.e4 Le6 31.Td2 Td4 32.Se3 Tc5 33.Tad1 Dd8 34.Sd5 Lxd5 35.exd5 Dxa5 36.Dxa5 Txa5 37.Tc1 Sc2 38.Tcd1 Sb4 39.Tc1 b6 40.Tc3 g6 41.f4 Ta1 42.Lf3 b5 43.Kg2 Tc4 44.Kf2 Kf8 45.Ld1 Txc3 46.bxc3 Sxd5 47.Txd3 Sxc3 48.Lc2 b4 49.Ke3 a5 0-1

Nach diesem Erfolg über Portisch stand Hübner hinter Weltmeister Anatoli Karpow und Viktor Kortschnoi auf Platz 3 der Weltrangliste.
Gesammelte Partien, Band II Das Schachmuseum kann auf eine weitere Originalquelle dieser WM-Partien verweisen. Es ist das in nur 20 Exemplaren von Robert Hübner selbst herausgegebene Buch "Gesammelte Partien", Band II - 1976-1993, S. 61 (LSB 2267).

Das auf 16 Partien angesetzte Kandidatenfinale gegen Kortschnoi 1980 in Meran endete für Hübner tragisch. Nach sechs Partien führte er mit 3,5:2,5 und übersah in der siebten in einem ausgeglichenen Endspiel eine Springergabel. Dabei ging ein Turm verloren. Mit dieser psychischen Last verlor er auch noch die achte Partie. Zwei noch ausstehende Hängepartien blieben nach Hübners Abbruch unbeendet und wurden für Kortschnoi gewertet.

Neben Hübner besuchten die Weltmeisterkandidaten Dr. Siegbert Tarrasch, Wolfgang Uhlmann, Vlastimil Hort und Viktor Kortschnoi den Ort Löberitz. Er war allerdings der einzige der sich dreimal auf den Weg in die sachsen-anhaltinische Provinz vorwagte.
Grund war jeweils die Teilnahme an den Ehrenpreisturnieren 2001 (1. GM Dr. R. Hübner, 2. WIM C. Jahn, 3. GM Dr. B. Malich (alle Deutschland), 4. WGM N. Lakos, 5. WGM I. Madl (beide Ungarn), 6. IM Liebert (Deutschland), 2006 (1. GM Dr. R. Hübner, 2. GM V. Hort, 3. H. Pröhl (alle Deutschland), 4-5. Ex-Jugendweltmeisterin WGM L. Rougule u. WGM D. Reizniece (beide Lettland), 6. WIM C. Jahn (Deutschland) und 2011 (1. GM A. Naumann, 2. GM R. Slobodjan, 3. WGM E. Pähtz, 4. GM Dr. R. Hübner, 5. FM M. Stolz u. 6. H. Pröhl.)
Alle dort gespielten Partien sind als Originale in den Turnierbüchern "Löberitzer Schachtage mit Ehrenpreisturnier 2001" (LSB 243), "... 2006" (LSB 244) und "... 2011" (LSB 2288) enthalten.

DSB-Gutachten Sicherlich gibt es viel mehr über seine schachliche Laufbahn, seine wissenschaftlichen Arbeiten als Papyrologe, als Autor tiefgründiger Schachbücher, sein umfangreiches Sprachtalent, sein Wirken als erfolgreicher Nationalspieler (u. a. Gewinn der Silbermedaille bei der Schacholympiade 2000 in Istanbul) oder seine Erfolge beim chinesischen Schach Xiangqi zu berichten. Doch für das Schachmuseum ist sein Kampf um das Urheberrecht an Schachpartien interessant. Da vertrat er die Auffassung, dass jeder Spieler ein Recht an seiner eigenen Partie besitzt. Für ihn ist die Partie eine geistige Schöpfung und dürfte deshalb nicht ohne das Einverständnis des/der Spieler/s veröf-fentlicht werden. Hier konnte er sich jedoch nicht durchsetzen.
1994 erstellten der Münchener Großmeister Wolfgang Unzicker als Rechtsberater des Deutschen Schachbundes und Richter a.D. und der DSB-Öffentlichkeitsreferent, Rechtsanwalt Ernst Bedau, ein Gutachten, wonach an Schachpartien kein Urheberrecht bestehe. Sie begründeten es mit der Tatsache, dass an einem Werk wo zwei oder auch mehrere Personen mit einer gemeinsamen Zielrichtung arbeiten, ein Miturheberrecht entsteht. Bei einer Schachpartie ist aber eine gemeinsame Zielrichtung nicht zu serkennen, da jeder selbst einen Sieg anstrebt und die Bemühungen des Gegners zu stören versucht. Deshalb haben die Spieler kein Miturheberrecht an einer Schachpartie. Das Gutachten von Unzicker und Bedau ist übrigens im Schachmuseum mit seiner handschriftlichen Widmung Unzickers zu sehen (LSB 1131).

Auszug aus dem Gutachten Im April 1994 beantragte Robert Hübner beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages den urheberrechtlichen Schutz von Schachpartien. Der Antrag wurde in der Bundestagssitzung vom 31. März 1995 abgelehnt.
Dieser Urheberrechtsstreit zeigt Hübners Charaktereigenschaften. Er, der ansonsten sehr bescheiden, ruhig und umgänglich ist, entwickelt mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden in bestimmten Situationen ungeahnte Kräfte. Sicherlich eine Grundvoraussetzung für eine große Lebensleistung.

Wünschen wir dem Jubilar noch nachträglich alles Gute, Gesundheit und viel Spaß am Schachspiel.

Konrad Reiß

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